GESELLSCHAFTSKRITIK

ANGEBOT UND NACHFRAGE


Angebot und Nachfrage steuern die Preise. Diese alte Schulweisheit gilt auf sämtlichen denkbaren Märkten. Der Bauer, oder besser die Bäuerin, denn das Marktgeschäft ist traditionsgebundenerweise Weibersache in dieser Wirtschaftssparte - die Bäuerin also ist von dieser Regel genauso betroffen wie der Handel mit Wertpapieren an der Börse oder der Welthandel mit Erdöl. Eine Ausnahme - in Klammern erwähnt - scheint der Fußballmarkt zu sein. Hier hat man schon jahrelangen Zuschauerschwund, das heißt die Nachfrage wird geringer, dennoch erhöht man die Eintrittspreise. Und beklagt sich darüber, daß noch weniger Zuschauer kommen.
Die schlaue Bäuerin weiß dagegen, daß sie morgens um acht ihre Radieschen oder das Kraut um ein paar Groschen teurer an den Mann bringen kann, als am späten Nachmittag, wenn das Mittagessen und der Ansturm der kaufbegierigen Hausmütter schon vorbei sind.
Nun aber kommen wir zu der Sache mit den Eiern. Man produziert zu viele Eier bei uns. Das Angebot ist also größer als die Nachfrage. Das bedeutet, daß man für die Eier einen relativ niedrigen Preis bekommt. Und da die Überproduktion ganze zwanzig Prozent beträgt, steht nicht zu erwarten, daß sich die Situation schnell ändern wird.
Natürlich ist es ein Jammer, daß wir all diese Eier nicht aufessen können, denn sie sind ja nicht haltbar bis in alle Ewigkeit. Da aber gerade Eier wegen ihres großen Proteinreichtums hohen Nährwert haben, ist es schade wenn sie verfaulen. Dann kann man sie nämlich höchstens zum Bewerfen von Politikern und anderen unliebsamen Elementen unserer Gesellschaft verwenden.
Meine eigene, ganz private Lösung wäre, diese überschüssigen Eier schnellstens in die Dritte Welt zu transportieren. In irgendein Land, in dem täglich Kinder verhungern, weil in unserer humanen Welt jeder sich selbst der Nächste ist, und wen in unserem zivilisierten Europa gehen schon diese Kinder an? Aber es wäre, wie gesagt, eine Lösung.
Eine andere Art der Lösung wurde uns vor einigen Tagen im Fernsehen vorgeführt. Ein Abgeordneter der Gewerkschaft für Eierproduzenten und Hühnerzüchter - was es da heutzutage alles gibt - erklärte den fernsehenden Millionen, daß es hier eigentlich nur eine Lösung gäbe. Ein Ei von fünf, so sagte er, sei der Grund des Übels, daß die Eierproduzenten schon seit langer Zeit zu Unterpreisen verkaufen müßten. Wenn jedes fünfte Ei, so behauptete er weiter, statt auf den Markt zu kommen, vernichtet würde, könne man die Preise ohne weiteres um fünfzig Prozent anheben, und somit einen beträchtlichen Gewinn erzielen, der schon seit Jahren vonnöten wäre. Sprach's und warf vor den Millionen im Fernsehdiwan ein Ei in einen dafür bereitgestellten Kübel.
Wenn jemals jemand Gottes Strafe treffen sollen hätte, dann diesen Mann in diesem Augenblick.
Allein, sie traf nicht. Deshalb liegt es an uns allen, solches in Zukunft zu verhindern. Wir müßten diesen Menschen in ein Zimmer sperren und hungern lassen, bis er versteht, was er getan hat. Bis er auf seinen Knien um dieses Ei bettelt, das er mutwillig zerschlagen hat.
Dann wird er wahrscheinlich verstehen, daß auch ein einziges Ei nicht weggeworfen werden darf, geschweige denn zwanzig Prozent unserer Produktion.

Dieses Ereignis trug sich vor etwa fünfzehn Jahren zu. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, daß man einen Teil der Kaffee- oder Weizenernte verbrennt, wenn sie zu gut war, nur um den internationalen Marktpreis zu halten. Wir akzeptieren auch stillschweigend, daß man den Bauern Unsummen bezahlt, damit sie ihren Boden NICHT bewirtschaften!
Die Kinder der Dritten Welt hungern aber heute noch immer - und wir wundern uns, daß sie, sollten sie trotzdem überleben, dann als Erwachsene eine negative Einstellung der westlichen Welt gegenüber hegen.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, Schweden, 1983 & 1998


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