GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Der polnische Erbfolgekrieg

Stanislaus Leszczynski war durch Karl XII von Schweden 1704 als König in Polen eingesetzt worden, nachdem dieser August den Starken von Sachsen (oder August II von Polen) im Grossen Nordischen Krieg besiegt hatte. Frau Fortuna wendete im Jahr 1709 allerdings das Kriegsglück des schwedischen Königs in der Schlacht von Poltawa. Damit wurde auch August II wieder König. Stanislaus lebte fortan im Exil, ab 1925 im Schloss Chambord in Frankreich, da seine Tochter Maria den französischen König Ludwig XV geheiratet hatte.

1733 starb August II. In einer Nacht- und Nebelaktion schickten die Franzosen Stanislaus wieder nach Warschau, um ihn dort erneut zum König wählen zu lassen. Ich persönlich glaube, dass der gute Stanislaus den Franzosen an sich ziemlich egal war, aber dass man versuchte, im Norden des Habsburgerreiches einen Stützpunkt zu erlangen.
Weder Österreich noch Russland war jedoch von dieser Lösung begeistert. Sie proklamierten gemeinsam den Sohn von August II, Kurfürst Friedrich August von Sachsen, als Thronfolger und daher auch als König Friedrich August III von Polen. Eine russische Armee schloss Stanislaus (und einige französische und schwedischen Minister) in Danzig ein und belagerte die Stadt. Ein kleines französischen Kontingent landete im Frühjahr 1735 in Polen, hatte aber gegen die russische Armee nichts zu bestellen. Notierbar ist nur, dass dies überhaupt das erste Aufeinandertreffen zwischen französichen und russischen Truppen war. Am 30. Juni 1735 musste Danzig aufgeben. Stanislaus war schon zwei Tage vorher in bäuerlicher Verkleidung aus der Stadt geflohen. Zurück in Frankreich wurde er 1736 Herzog von Bar und Lothringen, wo er noch 30 Jahre lang lebte. Er wurde ganze 88 Jahre alt.

Schon 1733 hatte Frankreich an Russland und Österreich Krieg erklärt und war mit Spanien, Sardinien und Savoyen ein Bündnis eingegangen. Nur neun Jahre vorher hatte Philipp V von Spanien mit Österreich ein Bündnis unterzeichnet, hatte aber jetzt die Hoffnung, das Königreich Neapel zu erwerben. Ähnliche Gründe hatte Savoyen, das die Augen auf die österreichischen Besitzungen in Norditalien geworfen hatte. Ganz richtig verlor dann Österreich wichtige Schlachten in Italien, nicht zuletzt, weil Grossbritannien als Bündnispartner nicht eingriff. Die Briten meinten, sie hätten nur ein Defensivbündnis mit Österreich, sahen Letztere aber als Aggressoren in diesem Krieg. Auch am Rhein hatte der jetzt schon greise Prinz Eugen von Savoyen keine Erfolge zu erzielen, da er immer seine Aufmerksamkeit auch auf den franzosenfreundlichen Karl Albert von Bayern richten musste. Dieser war immerhin mit einer Schwester des Habsburgers Karl VI verheiratet, aber was spielte denn das schon für Rolle? Machtstreben ging und geht doch immer über Leichen - und sollten es auch solche aus der eigenen Familie sein ...
Frankreich war an einer direkten Kriegsführung nicht sehr interessiert und wollte seine Kräfte für den kommenden Österreichischen Erbfolgekrieg sparen, der sich mittlerweile ja schon abzeichnete, da Karl VI als Fünfzigjähriger noch immer keinen Sohn hatte.

Im Oktober 1735 wurde in Wien zwischen Frankreich und Österreich ein Präliminarfrieden unterzeichnet. Dieser enthielt folgende Bestimmungen:
- Der russisch-österreichische Kandidat Friedrich August III wurde König von Polen. - Österreich gab Neapel und Sizilien an Spanien ab und erhielt dafür Parma und Piacenza. - Frankreich akzeptierte die pragmatische Sanktion! - Stanislaus erhielt das Herzogtum Lothringen, das nach seinem Tod an Frankreich fallen sollte, während Österreich nach dem Aussterben der Familie Medici (das auch schon absehbar war) das Grossherzogtum Toskana erhalten sollte.

Ganz richtig starb der letzte Medici schon knapp zwei Jahre später. Allerdings musste Franz Stephan von Lothringen zuerst eine Verzichterklärung auf sein Herzogtum unterschreiben. Nun war ja dieser Franz Stephan grossteils am Wiener Hof erzogen worden und war sehr in Maria Theresia verliebt. (Sie in ihn aber auch.) Schwiegervater in spe, Karl VI, soll ihm klargemacht haben, dass eine Heirat nur dann in Frage kam, wenn er auf seine Ansprüche in Lothringen verzichtete. Allerdings bekam er das Grossherzogtum Toskana als Entschädigung, wo die Lothringer im nächsten Jahrhundert - bis zur Vereinigung Italiens - eine bedeutende Rolle spielten.

Dieser Friedensschluss war ein Erfolg für beide Parteien. Die Bourbonen in Spanien erhielten Neapel und Sizilien, während Österreich mit den norditalienischen Provinzen ein mehr zentriertes Reich bekam. Dasselbe gilt für Lothringen, das ja mehr oder weniger eine Enklave in Frankreich war, während die Toskana den österreichischen Besitz in Italien gut abrundete. Und schliesslich war auch Friedrich August III König von Polen geworden - und damit hatte Frankreich zum Norden Österreichs keinen Zugang.


Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010


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