Das Trauma von Schweden

oder: Warum Österreich eigentlich Fußballweltmeister wäre



Alles Elend begann 1958, genauer gesagt am 8. Juni in Uddevalla an der schwedischen Westküste. Im ersten WM-Spiel traf Österreich damals auf Brasilien. Die anderen Gruppengegner waren England und die Sowjetunion. Die Experten waren sich einig. England und Österreich waren die Favoriten dieser Gruppe. England, gut. Aber Österreich? Ein unrealistischer Tipp? Durchaus nicht. Sehen wir uns einmal die frühe Fußballgeschichte an.

Der Ruhm des legendären Wunderteams aus Österreich aus den Dreißigerjahren ist unbestritten. Schottland 5-0 in Wien, Deutschland 6-0 in Berlin und 5-0 in Wien, 8-1 gegen die Schweiz in Basel. Das alles im selben, goldenen Jahr 1931. Doch das nächste Jahr war kaum schlechter. Es brachte ein 8-2 gegen die Ungarn in Wien und 3-2 in Budapest, ein 6-1 gegen Belgien in Brüssel - und die erste Niederlage nach 13 Spielen, aber nur 3-4 gegen England - in London!

Bei der WM 1934 in Italien schlug Österreich Frankreich und Ungarn, bevor der schwedische (schon wieder Schweden) Schiedsrichter Eklind im Semifinale den Gastgebern ein Tor schenkte, das zur 0-1 Niederlage führte. 1938 war Österreich ebenfalls qualifiziert, aber als die WM begann, gab es kein Österreich mehr.

Doch schon 1950 gab es neue, ehrenvolle Resultate. 1-0 gegen Italien, 5-3 gegen Ungarn, 7-2 gegen Jugoslawien, 5-1 gegen Dänemark und nicht zuletzt 1-0 gegen Schottland in Glasgow, der erste Sieg einer kontinentalen Mannschaft auf der britischen Insel. 1951 folgten ein 8-1 gegen Belgien in Brüssel, 2-2 gegen Frankreich in Paris und 2-2 gegen England in London!

Bei der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz war König Fußball fest in mitteleuropäischer Hand. Deutschland wurde Weltmeister, Ungarn Zweiter und Österreich Dritter.

Wohl verlor Österreich 1956 in Wien gegen Brasilien mit 2-3, aber das war eher ein einmaliger Umfaller, dachte man - gegen ein Brasilien, das 1950 auf eigenem Boden das Finale gegen Uruguay verloren hatte und das 1954 im Viertelfinale gegen Ungarn scheiterte. Ein unbeschriebenes Blatt waren bis dahin die Sowjetrussen, die jedoch 1960 den Europacup heimführten und die vor Tormann Jaschin eine Supermannschaft aufbieten konnten.

Das waren die Voraussetzungen, als die WM in Schweden begann. Der Favorittipp England und Österreich war also durchaus berechtigt. Man stelle sich, mit den Ergebnissen auf der Hand liegend, jedoch eine schwierigere Gruppe vor, als die mit dem kommenden Welt- bzw. Europameister und als Draufgabe noch England.

Eigentlich ist es ganz egal, ob es typisch österreichische Unterschätzung war, oder ob die anderen Teams ganz einfach besser waren. Nach 0-3 gegen Brasilien und 0-2 gegen die Sowjetunion war die WM vorbei. Das 2-2 gegen England im letzten Gruppenspiel diente nur dazu, den Engländern den Aufstieg zu vermasseln, zeigt aber dennoch, dass Österreich gar nicht so schlecht war.

Nach diesem Dämpfer folgte aber ein typisch österreichisches Eigentor. Gekränkte Eitelkeit oder eine ins Korn geworfene Flinte führte dazu, dass man für die nächste WM in Chile gar nicht nominierte!

Aber noch war Österreich nicht zur Mittelmäßigkeit verdammt. 1960/61 war die Nationalmannschaft allemal Europaspitze. Schottland 4-1, Sowjetunion 3-1, Spanien 3-0, alle in Wien und 2-1 gegen Italien in Neapel sind Resultate von 1960. Im Jahr darauf folgten ein 3-1 gegen England in Wien, zweimal 2-1 gegen Ungarn in Budapest und in Wien und ein 1-0 beim Europameister in Moskau! Diese Mannschaft hatte sich selbst von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen!

Dadurch verlor man Terrain, das man nie wieder gut machen konnte. Teils weil man als Nichtteilnehmer schwerere Qualifikationsgegner bekam, vor allem aber an internationalem Ansehen und an Eigeneinschätzung. Natürlich gab es auch später noch Achtungserfolge, nicht zuletzt der 7. Platz in Argentinien 1974 und das 3-2 gegen Deutschland sollen dabei nicht vergessen werden. Dennoch: es ist ein bekanntes Faktum, dass Mannschaften mit "Ansehen" diverse Vorteile genießen, seien es Schiedsrichterentscheidungen oder das Knieschlottern der Gegner.

Heute muss Österreich schlottern und das sogar vor "Größen" wie Kanada oder Weißrussland. Wenn ich deshalb heute die Spiele der WM 2006 in Deutschland verfolge, für die Österreich ja leider nicht qualifiziert ist, kann ich das Lospech vor einem halben Jahrhundert nur bedauern. Die Gewissheit aber, dass Österreich andernfalls diesmal wieder Weltmeister geworden wäre, schenkt immerhin einigen Trost.

Und das ist wenigstens ebenfalls typisch österreichisch gedacht.


Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, 2006


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