Die Entwicklung der germanischen Sprachenfamilie


Am Anfang war das Wort. Und das Wort war indoeuropäisch.
Das ist nicht ganz richtig, denn die Menschen hatten die Sprache schon zehntausende Jahre früher entwickelt. Wir wissen auch nicht, warum man gerade dort Indoeuropäisch sprach, wo wir unseren Anfang machen. Indoeuropäisch ist auf jeden Fall der Ursprung der germanischen Sprachengruppe. Länger zurück kommt man nicht. Urindoeuropäisch, auch Urindogermanisch genannt, sprach man um 3500 v.Chr. in einem Gebiet um das Schwarze Meer. Aber weil es ein ziemlich großes Gebiet war, ist es kein Wunder, dass es dort geografische Dialekte gab, aus denen sich eine Vielzahl von Sprachen entwickelte. Aus dem zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung stehen uns schon mehrere schriftliche Quellen zur Verfügung, wie zum Beispiel hethitische Keilschriftstafeln, die Linear-B-Tafeln in Griechenland, die Rigveda in Indien und aus dem Avestischen im heutigen Iran.
Die Hethiter wohnten in Kleinasien um etwa 1100 v.Chr. Die Linear-B-Tafeln gehören zur Mykenischen Kultur, deren Höhepunkt etwa um 1500 v.Chr. auf Kreta begann und ungefähr 300 Jahre andauerte. Die Rigveda ist eine religöse Schrift in altem Sanskrit aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends, wie auch die avestischen, religiösen Texte von Zarathustra gegen Ende dieses Jahrtausends.

Im Folgenden werden wir uns aber auf die Sprachen konzentrieren, die für das Germanische relevant sind. Hier sind es im ersten Jahrtausend v.Chr. vor allen Dingen griechische Texte (Iliad und Odyssee von Homer, und natürlich alles von der klassischen griechischen Literatur. In der zweiten Hälfte dieses Jahrtausends gibt es eine kaum überschaubare Menge an verschiedenen Schriften in Latein. Schließlich gibt es keltische Texte in den Jahrhunderten vor der Zeitenwende. Während dieser Zeit wurde im nördlichen Teil Europas auch eine Form von Ur- oder Protogermanisch gesprochen.
In der Zeit nach Christus finden wir dort kurze Namen und Inschriften auf Runensteinen, aber vor allen Dingen die Bibelübersetzung Wulfilas ins Gotische im 4. Jahrhundert ist ein wichtiger Eckpfeiler des Germanischen. Ab der Mitte des ersten Jahrtausends begannen sich die einzelnen Sprachen zu bilden, während sie vorher germanische Dialekte waren. Hier finden wir Altsächsisch, Altenglisch, Althochdeutsch, Altniederländisch und ein wenig später auch Altnordisch. Letzteres führten die Wikinger mit nach Island und Grönland, aber auch in Teile Schottlands und Irlands.
Im 12. Jahrhundert bestanden alle diese Sprachen, aber es geschahen große Veränderungen. Das Altnordische teilte sich in eine Ostsprache (Altdänisch, Altschwedisch und Altgutnisch - die Sprache auf Gotland) und in eine Westsprache (Altnorwegisch und Altisländisch). Die meiste altnordische Literatur ist uns aus der Westsprache überliefert.
Das Altsächsische existierte weiterhin als Niederdeutsch und Veränderungen in den anderen Sprachen führten dazu, dass man sie nun als Mittelenglisch, Mittelhochdeutsch und Mittelniederländisch klassifizierte.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden sämtliche genannten Sprachen als frühe moderne Varianten bezeichnet und ab dem 18. Jahrhundert als moderna Sprachen.

Dies war eine grobe Übersicht der germanischen Sprachen. Es gäbe noch viele kleinere Sprachen zu erwähnen, wie zum Beispiel das ausgestorbene Krimgotische, das ebenfalls die Wikinger mit nach Russland führten. Aber auch heute lebende Sprachen, wie Luxemburgisch, Friesisch und andere gehören dazu. Inwiefern man bei diesen die Grenze zwischen eigener Sprache und Dialekt ziehen will, bleibt dahingestellt. Noch eine Sprache will ich jedoch erwähnen: Afrikaans, das in Südafrika gesprochen wird und von niederländischen Siedlern dorthin gebracht wurde.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2015



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