WEIBLICHE LOGIK


Ich war in der Küche beim Geschirrspülen, als sich meine neunjährige Tochter neben mir auf den Boden kauerte, mit einem Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Ich fragte sie natürlich, was ihr über die Leber gelaufen sei - das gehört zu den Aufgaben eines umsichtigen Vaters.
"Ach, es ist mein Bruder", klagte sie meinen elfjährigen Sprößling an. "Ich spielte Tetris am Computer, als er hinkam und auch spielen wollte. Ich sagte, er könne auch einmal spielen, aber jetzt sitzt er dort und will eine Geschichte schreiben. Das dauert doch Stunden bevor er fertig ist."
Aha. Wie ich in diesem Augenblick den König Salomon um seine Weisheit beneidete! Wenngleich ich auch die Methode meines Sohnes nicht gutheißen konnte, mußte ich mir ohne Zweifel eingestehen, daß es mir lieber war, wenn sich einer meiner Nachfahren literarisch betätigte, als daß der Computer nur als Spielzeug diente. Nicht, daß ich etwas gegen das Spielen an sich oder gegen Tetris im Besonderen habe, ich spiele sogar manchmal mit und habe auch einige Resultate auf der Highscoreliste, was mir normalerweise mehr Bewunderung einträgt als meine salomonischen Entscheidungen.
Ich versuchte also einen Vergleich anzustreben, dessen Inhalt, da bin ich mir ganz sicher, jeder meiner drei Söhne ohne weiteres akzeptiert hätte.
"Nun", sagte ich einlenkend, "gestern, als Dein Bruder vor dem Fernseher saß, hattest Du doch auch stundenlang Zeit, um mit dem Computer zu spielen. Ist es denn da nicht gerecht, daß er dafür heute mehr Zeit bekommt?"
Ich atmete schon auf, gewiß, daß ich das Problem elegant gelöst hatte, als mir auffiel, wie sich der Blick meiner Tochter verdunkelte und ihr Gesicht einen noch finstereren Ausdruck annahm.
"Was denn", entgegnete sie entrüstet. "Gestern hat er doch am Fernseher den ganzen Tag Sport gesehen!"

Sehen Sie, lieber Leser, solchem steht man nicht nur als Vater, sondern auch schon seit Urzeiten als Mann machtlos gegenüber.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås, Schweden, 1997


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