Die Marienkirche in Laken


Laken ist ein Stadtteil im Nordwesten Brüssels, seit 1921 der Stadt angegliedert. Dort liegt auch das Atomium, das Heizelstadion (das eigentlich König Boudewijn-Stadion heißt), das Museum des Fernen Ostens und die königlichen Residenzen.
Das Wort Laken hat mit Wasser zu tun, wie auch auf Deutsch "Lache" oder Englisch "lake"und bedeutet eigentlich eine tiefliegende, morastische Gegend, die es früher einmal wohl war.

Am 11. Oktober 1850 verstarb in Oostende die erste Königin der Belgier (so ist der offizielle Titel), Louise-Marie, Gattin von Leopold I. Sie hatte den Wunsch geäußert, in der Kirche von Laken begraben zu werden. Man führte die stofflichen Reste nach Laken und stellte den Sarg in den Keller der alten Kirche, unter den Altar der Hl. Barbara.

Leopold I beschloss dann, seiner verstorbenen Gattin ein Monument zu bauen. Der Entwurf von Joseph Poelaert gewann den größten Gefallen und am 27. Mai 1854 legte der König selbst den ersten Stein. Obwohl noch nicht fertig gebaut, wurde die Kirche am 7. August 1872 eingeweiht. Erst 1908 ließ Leopold II den Bau fortsetzen und fertigstellen. Der Münchner Architekt von Schmidt übernahm zusammen mit dem Architekten Alphonse Groothaert den Bau des dreifachen Hauptportals und der 99 m hohen Turmspitze. Der nördliche Teil, unter dem sich die Gruft befindet, ist von einer achteckigen Kuppel bedeckt. Die Kirche ist das größte neugotische Bauwerk in Belgien.

Man glaubt, dass schon im Jahr 850 hier eine Kapelle stand. Im 10. Jhd. war der Heilige Guido von Antwerpen hier Küster.
Aus dem 13. Jhd. stammt die Sage vom Goldenen Draht. Man musste die Kirche vergrößern, weil es immer mehr Gläubige gab, und man entschloss sich deshalb, eine neue Kirche zu bauen. Bei dieser Kirche wollte man den Chor, wie in den meisten Dorfkirchen, im Osten haben. Aber die Baumeister mussten bald feststellen, dass die Mauern umgefallen waren. Das passierte drei Mal - dann wollte man die Saboteure auf frischer Tat ertappen und legte sich in den Hinterhalt. Zur großen Überraschung sah man aber, wie die Gottesmutter, begleitet von der Heiligen Barbara und der Heiligen Catharina, vom Himmel herabstieg. Mit einem Draht steckten sie den Grundriss der Kirche ab - und auf diesem Plan befand sich der Chor im Süden.
Der goldene Draht wird in einem Schrein aus dem 16. Jhd. bewahrt. Die heutige Kirche hat den Chor übrigens im Norden.
Eine andere Sage erzählt, dass man während der Dürreperiode im Jahr 1652 ein Marienbild von hier nach Brüssel in die St. Gudulakirche und zurück führte. Man las auch eine Messe und bat um Regen. Kaum war das Bild wieder an seinem gewöhnlichen Platz aufgestellt worden, soll es tatsächlich zu regnen begonnen haben.

Die Statue hat jedoch viel ältere Ahnen, worauf ihre romanische Ausführung schließen lässt. Sie wurde von Prinzessin Sophie, Tochter der Hl. Elisabeth von Ungarn und Gattin von Herzog Heinrich II von Brabant der Gemeinde in Laken geschenkt. Und nachdem Sophie ihren Heinrich am 30. März 1224 heiratete, muss die Statue also mindestens etwa 800 Jahre alt sein.
Das Baldachin über der Statue ist allerdings von 1934. Es wird von vier Frauen aus dem alten Testament gestützt, nämlich Eva, Ruth, Judith und Esther. Zwei Jahre später wurde die Statue gekrönt. Die Krone war ein Geschenk der Kirchengemeinde von Laken, deren Mitglieder ihre Juwelen spendeten. Auch dass Königin Elisabeth einen Smaragd schenkte, wird vermeldet. Vermutlich fiel ihr das aber viel leichter als vielen anderen Gemeindebewohnern, von denen nichts vermeldet wird ...

Vor dem Eingang zur Gruft, in der sich die Särge der königlichen Familie befinden, gibt es ein Mosaik, das die Wappen der neun Provinzen Belgiens zeigt. Inzwischen sind sie zwar zehn geworden, weil man Brabant in Flämisch-Brabant und Wallonisch-Brabant geteilt hat. Es ist tragisch, dass man sich in einem so kleinen Land wie Belgien nicht über ethnische Verschiedenheiten hinwegsetzen kann - wenn man doch die Hauptstadt der EU stellen will. So war es doch auch im früheren Jugoslawien - war der Bürgerkrieg dort wirklich notwendig, wenn sowohl Kroatien als auch Serbien früher oder später der EU beitreten werden?
Im Zentrum der Krypta befindet sich das Grabmal von König Leopold I und seiner Louise-Marie, die als Stifter der Kirche diesen Platz in Anspruch nehmen. In den Nischen ringsum stehen die Särge der übrigen Könige und Königinnen, an der oberen Seite jeweils mit Namen und Lebenszeiten versehen, sowie einem Bild der Verstorbenen. Die Gruft beeindruckt durch ihre einfache Ausführung, die jedoch der Würde keinen Abbruch tut.
Die Gruft ist übrigens noch nicht ganz fertig gebaut. Als Abschluss war in den ursprünglichen Plänen eine Krone vorgesehen, heute ist nur der Kreis davon aus dem Stein gehauen.
Man kann nicht umhin, bei dieser Kirche auch den Namen und das Werk von Kardinal Joseph Cardijn zu erwähnen. Ganz richtig hat er auch einen Gedenkplatz in der Kirche, der sehr modern ausgestaltet ist. Modern waren auch die Ideen des Kaplans, der im Jahr 1912, als Dreißigjähriger, in dieser Kirche seinen Dienst antrat. "Jeder junge Arbeiter, jede junge Arbeiterin ist mehr wert als alles Gold der Welt", war eines seiner Mottos - so selbstverständlich, aber dennoch auch heute noch lange nicht von allen akzeptiert.
1915 wurde Cardijn Direktor der Sozialen Werke von Brüssel, wo er 1925 die Organisation der Christlichen Arbeiterjugend gründete. 1965, zwei Jahre vor seinem Tod, wurde er von Papst Paul VI zum Kardinal erhoben.
In der Kapelle über der Gruft wird eine Ausstellung über das Leben von Joseph Cardijn gezeigt.
Wie schon erwähnt, sollen die Heilige Barbara und die Heilige Catharina zusammen mit Jungfrau Maria die Lage der mittelalterlichen Kirche bestimmt haben. Daher ist es eigentlich natürlich, dass diese beiden Damen auch eine Statue in der Kirche haben sollten. Das hatten sie, aber bei einem Brand konnte nur das Bildnis Barbaras gerettet werden. (Interessanterweise war sie auch schon vorher die Schutzheilige gegen Brände ...)
Wie bei so vielen Legenden ist es sehr ernüchternd, dass es über so viele Details Varianten in der Überlieferung gibt. Ich habe jetzt die Legende in fünf mir bekannten Sprachen durchgelesen - und alle fünf weichen mehr oder weniger von einander ab. Lassen Sie mich versuchen, daraus eine gemeinsame Linie zu bilden:
Sie lebte in Kleinasien, im 3. oder 4. Jhd. (ob sie jedoch überhaupt gelebt hat, ist geschichtlich nicht erwiesen). Ihr Vater trug den Namen Dioscuros und er sperrte sie in einen Turm - entweder um sie vor ihren vielen Freiern zu schützen, oder aber, um sie zu hindern, zum Christentum zu konvertieren. Daher hat Barbara auf Abbildungen auch oft einen Turm als Attribut. In einigen Varianten ließ ihr Vater ihr auch ein eigenes Badehaus bauen, damit sie nicht in öffentliche Bäder gehen brauchte. Nun ließ Barbara, entweder im Badehaus oder im Turm, statt der geplanten zwei, drei Fenster einbauen, um die Dreieinigkeit zu betonen.
Ihr Vater versuchte, sie mit Drohungen und Folterungen dazu zu bewegen, das Christentum zu übergeben, aber sie blieb standhaft. Als sie vor ihrem Vater einmal floh, öffnete sich durch ein Wunder eine Felsspalte. Sie entkam, wurde aber später von einem Hirten verraten. Nun führte sie ihr Vater zu einem Richter (in einigen Versionen - in anderen fällte er selbst das Todesurteil), der sie zum Tod verurteilte. Ihr Vater hieb ihr auf jeden Fall selbst den Kopf ab, wurde aber in derselben Sekunde von einem Blitzstrahl getroffen und verbrannte.
Ihr Fest ist am 4. Dezember, und sie ist Schutzheilige der Bergleute (Felsspalte), Architekten (Turm), Artilleristen (Blitz) und ähnlichen Berufen, wie z.B. Elektriker oder Geologen ...

Eine weitere Sehenswürdigkeit in der Kirche ist die Kanzel, die - in neugotischem Stil - sehr schmal und sehr hoch ist, sich durch ihre Lage aber leider nicht für ein Foto eignet. Sie ist jedoch auf dem Bild links zu erkennen.

Die Kanzel hat 1878 den ersten Preis auf der Weltausstellung in Paris gewonnen. Auffällig ist die Übereinstimmung ihrer Form mit dem Aufbau am Hochaltar und den Beichtstühlen, von denen je drei in den beiden Seitenschiffen stehen. Letztere sind ebenfalls mit Bildern von verschiednen Heiligen verziert. Auch die Seitenaltäre sind in dieser extrem gotischen Form gebaut.
Der Herzjesu-Altar im rechten und der Altar des Hl. Joseph im linken Seitenschiff gleichen einander nahezu völlig. Erst bei genauerem Hinsehen kann man kleine Unterschiede erkennen.

Es gibt natürlich auch Gemälde zu sehen, von denen nicht weniger als vier von Gaspart de Crayer stammen, oder wenigstens ihm zugeschrieben wurden. Ein Gnadenbild von Maria, ein Gemälde des Hl. Guido von Antwerpen, die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten sowie eine Kreuzigung stammen von diesem Meister, der im 17. Jhd. lebte.

Hinter der Kirche, auf dem Friedhof, befindet sich noch der Chor der alten, gotischen Kirche, die hier auf diesem Platz stand. Während die Kirche abgerissen wurde, renovierte man den Chor und mauerte die offene Seite zu. Dieses "Überbleibsel" wird heute als Kapelle verwendet.


Der Chor der alten Kirche

Die Rückseite der heutigen Kirche

Als Gegenstück zu den Statuen von Maria und Barbara steht am linken Seitenschiff der Hl. Rochus. Auch für seine Existenz gibt es keine geschichtlichen Beweise. Aber man erzählt, dass er in Montpellier in Südfrankreich geboren wurde und als 19jähriger eine Pilgerfahrt nach Rom unternahm, nachdem er sein Geld verschenkt hatte. Es wird gesagt, dass er nur mit Hilfe von einem Kreuzzeichen Pestkranke heilen konnte. Auf der Rückreise wurde er jedoch selbst von der Pest befallen. Als er bei Piazenca nicht im Krankenhaus aufgenommen wurde, zog er sich in eine Hütte im Wald zurück. Dort überlebte er dank eines Hundes, der ihm Brot brachte. Nach seiner Gesundung kehrte er nach Hause zurück, wurde aber für einen Spion gehalten und ins Gefängnis geworfen. Dort starb er fünf Jahre später.
Seine Attribute sind der Wanderstab, eine Pestbeule am Oberschenkel und ein Hund mit Brot im Maul. Er ist der Schutzheilige von Gefangenen, Kranken, Ärzten, von Seuchen befallenen, aber auch der Totengräber und anderen.
Wenn wir uns wieder dem Ausgang zuwenden, fällt der Blick auf das Rosettenfenster über der Orgel, die sich - in Harmonie miteinander - beide über dem Haupteingang befinden. Die Orgel wurde zwischen 1872 und 1874 von Pierre Schyven gebaut, war aber schon gute 30 Jahre später einer großen Reparatur bedürftig. Diese dauerte von 1908 bis 1912 und wurde von Salomon Van Bever ausgeführt. Um in der Zwischenzeit nicht orgellos dazustehen, schaffte man 1908 die Chororgel an, die ebenfalls von Van Bever stammt.

Kurz bevor man die Kirche verlässt, fällt der Blick auch noch auf ein marmornes Taufbecken von 1745 mit einem polierten Kupferdeckel.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2008



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13.11.2008 by webmaster@werbeka.com