Die Kirche von Merchtem


Merchtem ist eine kleine Landgemeinde mit etwa 15.000 Einwohnern. Es liegt ungefähr 15 Kilometer nordwestlich von Brüssel. Schon im 7. Jhd. stand eine Kirche auf diesem Platz. Bis 1355 war die alte Kirche dem Apostel Petrus geweiht, die neue wurde zu einer Marienkirche.
In Flandern gibt es viele Marienkirchen, die alle mit "Onze lieve vrouw" beginnen, also "unsere liebe Frau", womit natürlich Maria gemeint ist. Als Zusatz tragen die Kirchen dann noch einen Beinamen, wie "Mariahilf" oder "Maria Geburt". Die Kirche von Merchtem heißt "Onze Lieve Vrouw-ter-Noodt".
Der Name kommt von einer Pietagruppe, die heute links neben dem Hochaltar steht. Das ist ein recht ungewöhnlicher Name und ich hatte Schwierigkeiten, ihn zu übersetzen, aber schließlich fand ich heraus, dass es in Essen eine Stiftskirche gibt, die auch "Maria in der Not" heißt.

Wie immer sie auch heißen mag, wird man überrascht, dass man in einer so kleinen Gemeinde eine so schöne Kirche findet. Es sind nicht nur die Kreuzrippengewölbe der dreischiffigen Kirche, die von den weißverputzten Säulen mit ionischen Kapitellen getragen werden, sondern es ist auch ihre zum Teil unkonventionelle Ausschmückung, die zu dem ästethischen Genuss beiträgt. So befinden sich zum Beispiel auf der Innenseite der Säulen Terrakottareliefs, die die sieben Leiden Marias darstellen. Sechs davon werden auf den Säulen gezeigt, das siebente ist im Glasfenster über dem Hochaltar zu sehen.

 
Dieses Glasfenster zeigt wieder eine Pieta, was ja für die Kirche das Hauptthema ist. Die Terrakottabilder wurden 1855 der Kirche geschenkt, und zwar im Rahmen eines Jubiläums. Damals feierte man das 500jährige Bestehen dieser Kirche. Außerdem feiert die Gemeinde jedes fünfundzwanzigste Jahr ein Marienjubiläum, das natürlich auch in diesem Jahr stattfand.

Aber nicht alles in der Kirche ist alt. Wie die meisten Kirchen hat man hier in den letzten Jahren einen Zentralaltar bekommen, damit man den Gottesdienst näher bei den Menschen durchführen kann. Dieser Zentralaltar, der von zwei steinernen Armen getragen wird, wurde am 27. Mai 1990 eingeweiht, nachdem ihn die Gemeinde der Kirche geschenkt hatte.

Der Hochaltar dagegen ist ein wenig älter, er wurde 1946 gegen den Altar von 1807 ausgetauscht und nur der alte Tabernakel, auf dem man ein Bild des Abendmahls findet, wurde beibehalten.

Zwei meiner Favoriten sind ohne Zweifel die beiden lebensgroßen, holzgeschnitzten Figuren von den Aposteln Petrus und Paulus. Man weiß nicht, wann die beiden in die Kirche kamen, möglicherweise schon anfangs des 17. Jhd.
Es gibt natürlich noch mehr Statuen zu sehen, zum Beispiel vom Hl. Emebertus, dem Gründer dieser Gemeinde, auf die ich aber aus Platzgründen nicht eingehen kann.
Bleiben wir bei Petrus. Im rechten Seitenschiff, fast vorne beim Seitenaltar, gibt es an der Wand zwischen zwei Fenstern eine Bildgruppen von ihm, vor Christus knieend. Letzterer zeigt zum Himmel hinauf und unter dem Bild steht der Text: "Tibi dabo claves regni caelorum", was übersetzt bedeutet: "Ich gebe Dir die Schlüssel des Himmelreichs". Außerdem steht noch darunter, dass man darüber im 16. Kapitel des Matthäusevangeliums nachlesen kann.

Das Fenster links von dieser Gruppe zeigt wie Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria verkündet, dass sie einen Sohn gebären wird und das Fenster rechts davon zeigt die Heiligen drei Könige bei der Anbetung des Neugeborenen.
Die sechs Fenster im Hochchor zeigen von links nach rechts: Das Lamm Gottes, St. Joseph, die Rosenkranzmuttergottes, das Altarbild, das wir schon besprochen haben, sowie St. Petrus und eine Herzjesu-Erscheinung.

Die Kanzel ist im Gegenlicht schwer zu fotografieren. Der Korb mit den vier Kirchenvätern wird von den vier Evangelisten in ihrer symbolischen Form gehalten (Matthäus als Engel, Markus als Löwe, Lukas als Stier und Johannes als Adler). Die Kanzel wurde im Jahr 1826 bei dem Holzschnitzmeister Pieter Jan Tambuyser und dem Möbeltischler Jan Baptist De Hertogh bestellt, beide im nahen Mechelen wohnhaft. Sie kostete damals insgesamt 1962 Gulden.

Im Hintergrund sieht man die große Loret-Orgel im Spätbarockstil. Sie hat auch schon gute hundert Jahre hinter sich, denn sie wurde im Jahr 1876 in der Kirche integriert. Dies war das letzte Werk von Francois Loret, der im Jahr darauf starb. Allerdings stürzte 1969 ein Teil des Gewölbes ein und beschädigte die Orgel, sodass es bis 1992 dauerte, bevor das Stück wieder spielbereit war.

Wir wenden uns jetzt den Seitenaltaren zu, zunächst dem an der linken Seite. Er ist wahrscheinlich 1631 von der Familie Pipenpoy in Auftrag gegeben worden, was ihr Wappen mit den drei Lilien heute noch bezeugt.
Auf dem Altartisch steht eine Marienfigur aus Spanien, während ganz oben der heilige Petrus steht. Das Altarbild zeigt die Himmelfahrt Marias. Es ist gleich alt wie der Altar und wurde von Gaspar De Crayer gemalt.
Der Altar im südlichen Seitenschiff ist dem Hl. Antonius geweiht. Vermutlich ist auch er so alt, wie der Marienaltar auf der Nordseite, aber dafür fehlen alle Beweise.
Hier stammt das Altarbild ebenfalls von De Crayer. Es zeigt die Versuchung des Einsiedlers Antonius, gegen die er sich mit dem Kreuz und mit Hilfe einer übernatürlichen Gestalt wehrt. Links auf dem Altar steht eine kleine Figur der heiligen Katharina, die aus einer Kapelle in der Dendermondestraaat stammt.

Es gibt in jedem Seitenschiff zwei Beichstühle, wovon die vorderen von Ignaas Van Nuten im Jahr 1750 hergestellt wurden. Die beiden anderen (einer davon im Bild links) sind kurz nach 1840 von J.C. Rosel erbaut worden.
Über dem Beichtstuhl sehen wir die Bilder von zwei Stationen des Kreuzwegs, der 1904 von Karel Beyaert aus Brügge erschaffen wurde. Es sind auf Kupferplatten gemalte Bilder.

Die vielfältige und gefällige Ausschmückung dieser Kirche war ein sehr nettes Erlebnis.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



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