DAS HAUS
DER GESCHICHTE

1949 - 1955:
Jahre des Aufbaus in West und Ost


Von Mai bis August 1949 tobte der erste Wahlkampf in den Westzonen. Größte Partei wurde die CDU, die mit CSU, FDP und DP zusammen die erste Regierung stellte. Konrad Adenauer wurde mit einer Stimme Mehrheit Bundeskanzler. Aber, "die große Freiheit ist es nicht geworden", wie Erich Kästner es ausdrückte. Das Besatzungsstatut gab den Alliierten noch immer Einspracherecht und verhinderte, dass die Regierung einen eigenen Verteidigungs- und Außenminister haben durfte. Theodor Heuss wurde erster Bundespräsident.
Im Bild links sieht man einen Teil des Plenarsaals des ersten Bundestags im Haus der Geschichte. Außer dem Bundestag und der Regierung bildeten der Bundesrat und das Bundesverfassungsgericht die höchsten Instanzen der Landesverwaltung. Aber außer der eigenen Verwaltung gab es immer noch die Alliierte Hohe Kommission, die sich das Hotel auf der Höhe des Petersbergs als Domizil ausgesucht hatte.
Das gestattete wohl einen weiten Rundblick über das Land, aber der Ort wurde kaum aus Überwachungsgründen gewählt ... Überwacht wurde dagegen die Gesetzgebung, die Außenpolitik und der Außenhandel, die Abrüstung und dass Deutschland "entmilitarisiert" wurde. Die drei Hohen Kommissare (aus den USA, Großbritannien und Frankreich) überwachten außerdem die Geldwirtschaft und die Reparationszahlungen und nicht zuletzt die Kontrolle über die Ruhrindustrie. Viel "Selbständigkeit" blieb dann aber nicht mehr übrig.
Zugegebenerweise hatte Kanzler Adenauer keinen leichten Sitz. So musste er es den Hohen Kommissaren recht machen, gleichzeitig aber war er der Opposition der SPD ausgesetzt. Es gab viele Dinge, in denen man die Regierung kritisierte. Die rote Linie auf dem Glaskasten zeigt das Einverständnis der SPD, während die graue die Fälle anzeigt, in denen man mit der Regierungspolitik nicht einverstanden war.
Das Programm der Opposition konnte man übrigens um die horrende Summe von 30 Pfennig kaufen. Oppositionsvorsitzender Kurt Schumacher nannte Adenauer sogar den "Bundeskanzler der Alliierten". Dass nicht alle so amerikafreundlich reagierten, geht aus dem Plakat links hervor.
Und natürlich war die Anpassung an die Alliierten auch der Wiedervereinigung nicht sehr zuträglich. Andererseits brachte sie der BRD immer größere Freiheiten. Seit April 1949 unterstand das Ruhrgebiet einer internationalen Behörde, das die Produktion auf die USA, Großbritannien, Frankreich und die Beneluxländer aufteilte. Erst im November dieses Jahres konnte auch die Bundesrepublik daran teilhaben. Im Jahr darauf kam ein Vorschlag vom französischen Außenminister Robert Schuman, der heute von vielen als Vater der Europäischen Union betrachtet wird. Er wollte die Kohle- und Stahlproduktion für ganz Europa öffnen. Und schon 1951 wurde die Montanunion gegründet, der Kern zur Europäischen Gemeinschaft und der späteren EU.
In der Weltpolitik war der Koreakrieg ausgebrochen. Damit wurde im Westen die Angst vor dem Kommunismus geschürt, was in den USA schließlich zu den "Hexenjagden" McCarthys führte. Aber es gab auch Leute, die zwischen Korea und Deutschland Gleichnisse fanden. 1952 kam in der Frage der Wiedervereinigung ein Vorschlag aus der Sowjetzone. Man wollte über die Wiedervereinigung verhandeln, sowie Friedensverhandlungen mit dem vereinten Deutschland und eine nationale Armee. Im Gegenzug verlangte man, dass alle Besatzungssoldaten Deutschland verließen, sowie Deutschlands Neutralität.
In meinen Augen wäre das die Chance für ein vereintes Deutschland gewesen. Aber Adenauer bezeichnete den Vorschlag als "Fetzen Papier" und die Westmächte gingen nicht darauf ein. Aber die Westpropaganda hat uns heute vergessen lassen, dass es der Westen war, der damals die Wiedervereinigung verhindert hat.
Andererseits ging man auch im Osten eigene Wege. Schon am dritten Parteitag der SED stellte sich die Partei an die Seite der Sowjetunion, im Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus. Damit wurde die SED zu einer marxistisch-leninistischen Partei unter der Leitung von Walter Ulbricht. Der SED wird vorgeworfen, dass man nachher eine Säuberung der Partei durchführte. Dass in der BRD die kommunistische Partei ganz verboten wurde, wurde von der Mehrheit unter Stillschweigen für gut befunden.
Damit will ich nicht behaupten, dass die Farce der Wahlen im Ostblock - und damit auch in der DDR - vorbildlich oder auch nur ein Zeichen der Demokratie gewesen wäre.
Auch führte das ebenfalls 1950 errichtete Ministerium für Staatssicherheit - die Stasi - zu einer Spitzel- und Anzeigenmentalität, die durchaus nicht korrekt war. Das Gelübde der Stasiangestellten - im Bild links - mutet auch etwas theatralisch und pompös an, wie so Vieles im osteuropäischen Kulturkreis.
Der beträchtliche historische Kulturunterschied zwischen West und Ost, kam (und kommt heute noch) in verschiedenen Ausdrucksformen zutage. Es wäre von beiden Seiten besser gewesen, sich um ein wenig Verständnis zu bemühen, statt die eigene Auffassung zu versteifen.
Die Idee des Fünfjahresplans war ebenfalls ein Fehlschuss - und dies aus zwei Gründen. Erstens lag der Schwerpunkt bei den großen Industrien, was mit sich führte, dass nicht genügend Verbrauchsgüter erzeugt wurden. Dadurch entstand in der DDR das Bild vom "goldenen Westen", wo es bald Waren in Hülle und Fülle gab. Dass die meisten Menschen nicht genug Geld hatten, um all diese Waren zu kaufen, begriff man nicht - denn Geld gab es in der DDR massenhaft.
Der zweite Fehler des Fünfjahresplans war, dass er "von oben" kam, also bei den Werktätigen nicht verankert war. Dass man außerdem später die Arbeitsnormen erhöhte, konnte auch nicht auf fruchtbaren Boden fallen.
Jetzt geschah das Unausweichliche, das die Schatten noch weit in die Zukunft werfen sollte. Die Menschen rannten der DDR davon. Die westliche Propaganda hatte ebenfalls ihren Anteil daran. Von Mitte 1952 an verschwanden in einem Jahr dreihunderttausend Menschen in den Westen. Und das größte Problem bestand darin, dass es hoch ausgebildete Menschen waren, die das Schiff verließen. Facharbeiter, Ärzte, Hochschulabsolventen und ähnliche Gruppen konnten natürlich am besten damit rechnen, auch im Westen Arbeit zu bekommen. Aber kein Land kann es sich leisten, seine Elite zu verlieren. Der Grenzschutz mit all seinen Gräueln war wohl unmenschlich, aber für die DDR überlebensnotwendig.
Es sollte jedoch noch schlimmer kommen. Am 5. März 1953 starb Stalin. Jetzt hoffte man, dass die Situation endlich ein wenig besser werden würde, aber vergebens. Um den Unruhen vorzugreifen, verschärfte die politische Führung noch die Bedingungen. Es ging so weit, dass es sogar dem Kreml zuviel wurde.
Man holte Ulbricht und Grotewohl nach Moskau und trug ihnen auf, einen neuen, gemäßigteren Kurs zu fahren. Daraufhin versprach man, etliche Maßnahmen zurückzunehmen, wie zum Beispiel die Verfolgung der Kirche einzustellen und die Kollektivierung der Landwirtschaft nicht weiter zu treiben. Außerdem sollte die Versorgung besser werden. Nur vier Tage später, am 17. Juni, kam es zum Volksaufstand. Die Politiker der DDR waren damit völlig überfordert und begaben sich in den Schutz der sowjetischen Streitkräfte. Die sowjetischen Besatzer übernahmen wieder das Ruder und verhängten den Ausnahmezustand in 167 von 217 Landkreisen der DDR. Obwohl es genügte, dass die russischen Panzer sich zeigten, um den Aufstand niederzuschlagen, kostete dieser trotzdem fünfundfünfzig Menschen (auf beiden Seiten) das Leben.
Inwiefern der Westen den Aufstand unterblasen hatte, wie die Sowjetunion behauptete, lässt sich heute kaum mehr feststellen.
Dass dies jedoch eine oft verwendete angloamerikanische Taktik ist, zeigt auch die neuere Weltgeschichte deutlich genug (Kosovo, Ukraine, Ägypten, Nicaragua, etc. etc.).
In der DDR gab es schon früh eine Volkspolizei, die zu einer kasernierten und bewaffneten Volkspolizei wurde. Das machte sie de facto zu einer paramilitären Organisation.
Die Wiederbewaffnung der BRD war ein ganz wichtiges Anliegen für Adenauer. Er fand bald offene Ohren bei Amerikanern und Briten. In der BRD war man jedoch nicht überzeugt davon, dass dies der richtige Weg war. Zum ersten Mal bildete sich eine außerparlamentarische Gruppe, die Paulskirchenbewegung. Ihr gehören Mitglieder der SPD, der Kirche, der Gewerkschaft, sowie Künstler, Schriftsteller und andere an. Man meinte, dass bei einer Wiederaufrüstung die Gefahr bestünde, dass Deutsche gegen Deutsche kämpfen müssten. Und sicher wäre es auch der Wiedervereinigung nicht förderlich.
Dennoch gab es schon 1950 die ersten Gespräche darüber. Die Franzosen hatten panische Angst vor deutschen Soldaten und setzten hart dagegen. Auf Druck der USA gingen französische Politiker auf einen Kompromiss ein - mit Benelux, Italien, Großbritannien und Deutschland eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu bilden, sozusagen eine Europa-Armee. Doch der Nationalrat der Franzosen verweigerte die Zustimmung noch im August 1954. Ein Monat später luden die USA Deutschland ein, der NATO beizutreten. Damit bekam Frankreich sozusagen den langen Finger ...
Am 5. Mai 1955 bekam die BRD die Souveränität. Das Besatzungsstatut wurde aufgelöst, ebenso wie die Alliierte Hohe Kommission. Wenig später wurde die BRD gleichberechtigtes Mitglied der NATO. Damit ging die Grenze der Blockpolitik zwischen West und Ost nunmehr definitiv auch mitten durch Deutschland.
Im Januar 1956 hatte die BRD wieder ihre ersten Landesverteidiger. Im Juli desselben Jahres wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.
Kurz nachdem die BRD in den Atlantikpakt aufgenommen wurde, entstand im Osten der Warschauer Pakt als Antwort. Auch die Nationale Volksarmee der DDR wurde erst gebildet, nachdem die BRD offiziell ihre ersten Soldaten angelobt hatte. Ich möchte wieder darauf hinweisen - obwohl unsere Propaganda den Osten als Kriegshetzer darstellte (und es noch immer tut) - dass der Westen die Vorgaben machte und damit zu einer Verschärfung der Lage beitrug. Der Osten hatte nur immer gleichgezogen, um das Gleichgewicht zu wahren.
Dass auf der Statue "Gemeinsam vorwärts" das Lächeln der Soldaten nicht ebenso freundlich ausfiel, wie auf dem Werbeplakat (Bild oben) der BRD, mag sogar von einer mehr realistischen Auffassung zeigen. Ein sowjetischer Soldat und einer aus der DDR gehen hier gemeinsam vor. In der Westpropaganda sieht man Soldaten der NATO hinter einem Deutschen stehen. Der Text: Seine Kameraden - unsere Verbündeten. Wo ist der Unterschied?
Doch jetzt genug über Politik und Militär - es gab schließlich auch auf anderen (und für die Gesellschaft wichtigeren) Gebieten eine Entwicklung, die viele Neuerungen mit sich führte.
Die Fünfzigerjahre gehörten dem Kino oder Lichtspieltheater, weil das Fernsehen noch keine Durchschlagskraft hatte. Schon von Anfang an überfluteten amerikanische Filme die BRD. Aus deutscher Produktion hatten Heimatfilme wie "Schwarzwaldmädel" großen Anklang. Problemfilme stießen eher auf Ablehnung, auch wenn es Ausnahmen gab. "Die Sünderin", die als Thema Prostitution und Selbstmord hatte, entfachte heftige Diskussionen. Die Kirche mahnte zum Boykott. "Die Brücke" kam erst ein wenig später. Dieser Antikriegsfilm zeigte den Wahnsinn des Krieges auf. In der Endphase ließ man halbe Kinder eine Brücke verteidigen, die am Ende doch nur gesprengt wurde.
Auch Comics und Illustrierte wurden populär und damit auch die Debatte über "Schmutz und Schund".
1950 sah das Taschenbuch seine ersten Exemplare im rororo-Verlag, nach amerikanischem Vorbild. In der Literatur dominierten übersetzte westliche Werke, bevor Verfasser wie Heinrich Böll oder Inge Aichinger ihren Durchschlag fanden. 1952 erschien zum ersten Mal "Deutschlands modernste Zeitung", die Bild-Zeitung.
Im Osten war man bemüht, den westlichen Einfluss zu unterbinden, was jedoch bei noch offenen Grenzen nahezu unmöglich war. Bertold Brecht war tonangebend, wurde aber wegen seinen Auffassungen in der BRD wenigstens zum Teil boykottiert.
In die Jahre des Aufbaus fällt auch das Wirtschaftswunder. Hauptsächlich verantwortlich dafür war Ludwig Erhard, der mit seiner "sozialen Marktwirtschaft" erst das Umfeld überzeugen musste, dass dies der richtige Weg war. Die Wirtschaft sollte ohne Einschränkungen den Markt beherrschen, aber der Staat sollte den sozialen Ausgleich dazu erschaffen, nicht zuletzt für alle Gruppen, die von den Umständen benachteiligt waren, wie Kriegsbehinderte, Flüchtlinge und Obdachlose.
So wurden in dieser Zeit jährlich mehr als eine halbe Million Wohnungen gebaut, um allen Menschen ein Dach über dem Kopf bieten zu können. Der gewaltige Wohnungsbau schaffte gleichzeitig Arbeitsplätze, die die Arbeitslosigkeit verringerten.
Die erlaubte Produktion war von den Alliierten anfangs auf völlig "ungefährliche" Artikel beschränkt, wie Stofftiere und Modelleisenbahnen. Bald aber wurde die Autoindustrie zum Motor der Wirtschaft. Der "Käfer" wurde in mehr als hundert Länder exportiert. 1955 machten die Kraftwagenexporte zehn Prozent des gesamten Exports aus. 1950 kostete ein Käfer 5450 DM, während der Monatslohn eines Industriearbeiters etwa 250 DM betrug. Das entspricht dem Gesamteinkommen von fast zwei Jahren. Der relative Preis war also erheblich höher als heute.
Doch nicht nur die Autos, auch andere Qualitätsprodukte aus der Textil-, Chemie- oder Fotobranche eroberten die Welt.
Man sah allerdings auch die ersten Streiks, weil die Gewinne der Industrie zwar stiegen, die Löhne aber nicht mithielten. Das ist das Problem der Marktwirtschaft, beziehungsweise des Kapitalismus - auch heute noch.
Im Osten versuchte man die Resultate der Planwirtschaft zu verbessern, indem man persönliche Leistungen prämiierte. Sicher gab es Idealisten, die an den "Arbeiter- und Bauernstaat" glaubten und dafür ihr Bestes gaben. Das "Recht auf Arbeit" bedeutete aber gleichzeitig, dass man Arbeit und Lohn garantiert hatte, ohne sich übermäßig anzustrengen. Das wieder war der Planwirtschaft nicht zuträglich. Aber nachdem die meisten Menschen individuelle Vorteile höher stellten, als die des Gemeinwesens, war die ganze Ideologie zum Scheitern verurteilt. Dass man sie mit politischem Zwang durchdrücken wollte, war außerdem noch ein Eigentor. Der Mangel an Waren und Versorgung ließ die Wirtschaft immer hinten nachhinken.
Man versuchte statt dessen, den Sport zu fördern und durch Erfolge das Nationalgefühl zu heben.
Auch hier musste der Osten internationale Abstriche erdulden. Das Olympische Kommittee erkannte 1951 wohl schon das nationale Kommittee der BRD an, das der DDR musste jedoch bis 1965 auf Anerkennung warten. Man meinte, dass 1952 eine gemeinsame deutsche Mannschaft bei den Spielen teilnehmen solle. Als Reaktion darauf ließ man die Sportler der DDR zu Hause. Erst 1956 trat eine deutsche Mannschaft gemeinsam an - es sollte bis 1968 dauern, bevor der DDR bei Olympischen Spielen eine eigene Repräsentation zugestanden wurde.
Die größte sportliche Sensation aus diesen Jahren war jedoch "das Wunder von Bern", als die BRD als "Deutschland" Fußballweltmeister wurde.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2014


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30.10.2014 by webmaster@werbeka.com