Die Ciudadela in Rosas


Es gibt wohl nicht viele Städte, die Museen in einer Größe von mehr als 130.000 Quadratmeter haben - das entspricht etwa 25 Fußballplätzen nebeneinander. In Rosas gibt es so ein Museum, das außerdem noch von einer Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert umgeben ist. Bis 1814 befand sich die Stadt selbst auf diesem Gebiet ... Vielleicht wäre es sogar besser von verschiedenen Städten zu reden, denn es waren viele Völker, die hier siedelten. Aber beginnen wir einmal von Anfang an und gehen durch die "Porta del Mar", also das Tor des Meeres.
Es ist gleich alt wie die Stadtmauer und wurde von Kaiser Karl V in Auftrag gegeben. In Spanien hieß er freilich Carlos I, denn das spanische Reich war erst kürzlich vereint worden und hatte noch keinen König mit diesem Namen gehabt.
Durch das Tor des Meeres kommt man in die Rezeption, wo man für billige 4 Euro sowohl zu den Ausstellungen, als auch zum Freilichtmuseum kommt. Ich werde versuchen, chronologisch vorzugehen und beide gleichzeitig zu behandeln. Nur so viel vorweg: die Ausstellungsobjekte sind nur auf Katalanisch beschrieben, aber man bekommt eine Zusammenfassung der einzelnen Monter in vielen verschiedenen Sprachen. Der Freilichtteil des Museums ist an einem sonnigen Frühlingstag äußerst angenehm für einen Spaziergang, bei dem man außerdem noch interessante Informationen aufschnappen kann. Aber genug jetzt, wir versetzen uns einmal ein paar tausend Jahre zurück.
Die Gelehrten streiten heute noch darüber, wann hier die erste Siedlung entstand.

Dieser Keramikkopf stammt aus dem 3. Jahrhundert vor Christus ...
Die Stadt hieß früher Rhode, was dazu Anlass gibt, zu glauben, dass Einwohner der Insel Rhodos hier eine neue Siedlung gründeten. Die Anhänger dieser Theorie verlegen den Zeitpunkt ins 8. Jahrhundert vor Christus.
Die Gegner meinen, dass Rhode im 5. Jahrhundert besiedelt wurde - und da von Einwohnern von Masalia, dem heutigen Marseille. Diese Stadt gilt außerdem als östlichste griechische Siedlung bei ihrer Gründung im Jahr 600 v. Chr.
Zu den Fakten gehört auch, dass man niemals griechische Funde zutage gefördert hat, die älter sind als vom 5. Jahrhundert vor Christus - und diese sind ausschließlich Keramikfunde und keine Reste von Häusern. Baureste sind erst aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts bekannt.

... wie auch die Überreste der griechischen Häuser.
Im 8. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gab es schließlich auch noch genügend Platz an Orten, die näher bei Griechenland lagen, um Siedlungen zu gründen. Geht man dagegen von Masalia aus, ist es anzunehmen, dass eine neue Kolonie erst einmal gute hundert Jahre braucht, um sich zu stabilisieren, bevor man seinerseits weitere Orte besiedelt.
Wie dem auch sei - der Grund für neue Kolonien war nicht nur Überbevölkerung, sondern vor allem der Handel. Aus Spanien konnte man Metall und Getreide beziehen, die die iberische Urbevölkerung lieferte. Außerdem zeigen die Funde punische (karthagische) Gegenstände und später immer mehr Produkte aus Süditalien.
Die griechische Siedlung bestand aus einer nord-südlichen Straße, die von zwei west-östlichen gekreuzt wurde. Bis heute hat man nur 11 Häuser ausgegraben, aber man nimmt an, dass es etliche mehr gab. Aus dem 3. Jahrhundert vor Christus sind hier auch zwei Keramiköfen bekannt. Ebenfalls aus dieser Zeit ist die Silberdrachme, die etwa hundert Jahre lang hier geprägt wurde. Sie hatte einen Frauenkopf, vermutlich Artemis darstellend, auf der einen und eine Rose auf der anderen Seite. Vielleicht war das der Grund dass aus Rhode Rosas wurde?

Beispiele griechischer Keramikproduktion
Im Zweiten Punischen Krieg (zwischen Rom und Karthago, 218 - 201 v. Chr.) fühlten sich auch die Griechen unsicher und erbauten eine Stadtmauer. Das half allerdings nicht viel, die Römer überrannten die Stadt und nach einem Aufstand der Bevölkerung wurde die Stadt von Cato geräumt und die Bewohner wurden bestraft.
Danach blieb die Gegend etwa 300 Jahre lang unbewohnt, außer vielleicht landwirtschaftlicher Nutzung der Umgebung, bis neue Siedler die Stadt wieder belebten. Speziell im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung blühte die Stadt wieder auf.


Reste römischer Bebauung, zum Teil der griechischen überlagert.
Interessant ist, dass zur Zeit der Griechen die Küste bis hierher verlief,
zur Zeit der Römer aber schon etliche Meter zurück gegangen war.
Es waren hauptsächlich römische Siedler, jetzt aber sicher auch Christen unter ihnen, da man unter der heutigen Kirche die Reste eines christlichen Tempels gefunden hat. Auch ein Friedhof wurde zu dieser Zeit angelegt, der ein paar Jahrhunderte lang gebraucht wurde. Man weiß auch, dass die Römer hier industrielle Fischbearbeitung betrieben. Importiert wurden dagegen Öl, Wein und Tischgeschirr.
Warum die Stadt wieder verlassen wurde, ist nicht bekannt. Aber vielleicht hängt das mit den Visigoten zusammen, die auf dem Puig Rom, einem nahen Berg, eine Siedlung errichteten.


Hier wurde der Fisch verarbeitet und gelagert.
Allerdings hielt sich auch diese Gemeinschaft nur knappe hundert Jahre, bis am Anfang des 8. Jahrhunderts. Da wurde die Siedlung wieder aufgegeben, was vielleicht mit der Einwanderung maurischer Truppen in Spanien zusammenhängt.
Während des Mittelalters gibt es nicht viele Anhaltspunkte auf dem Gebiet von Rosas. Wie aus einer Schenkungsurkunde hervorgeht, die Graf Gausfred und sein Sohn Sunyer den Mönchen ausstellte, wurde im 10. Jahrhundert ein Benediktinerkloster gegründet, das Jungfrau Maria gewidmet war. Spuren einer ersten Stadtmauer aus dem 11. Jahrhundert sind vorhanden. Zu dieser Zeit erbauten die Mönche auf Wunsch des Grafen Sunyer auch die Kirche Santa Maria, die auf den Resten der Vorgängerkirche aufgesetzt wurde.


Die Kirche und die Mauern des im Süden anschließenden Klosters
Es war dies eine dreischiffige Kirche mit drei Absiden. Der Graf wollte hier begraben werden.
Auch die ersten Anzeichen einer neuen Stadt sind erhalten, die durch die kommenden Jahrhunderte weiter anwachsen sollte.
Die Gründung des Klosters führte mit sich, dass in der Folge eine Ortschaft entstand. Diesmal jedoch nicht auf dem Gelände der griechisch-römischen Bevölkerung, sondern auf der anderen Seite, westlich an das Kloster angrenzend. Es ist anzunehmen, dass die Ortschaft geplant angelegt wurde, da zwei gekreuzte Hauptstraßen durch die Stadt führen, von denen die Häuser zu erreichen waren.


Eine der beiden Straßen, die "Carrer de Creu" (Kreuzstraße), aus dem
11. Jahrhundert. Sie wurde bis ins 17. Jahrhundert verwendet.
Um die Ortschaft und das Kloster wurde obengenannte Stadtmauer errichtet. Die Stadt wuchs danach langsam an, dem Meer zu. Das führte dazu, dass man die Stadtmauer verlängern musste. Sie besaß in regelmäßigen Abständen Verteidigungstürme, die auf der Seite, die gegen das Meer zeigte, besonders dicht standen. Das kam daher, dass die Stadt öfter den Angriffen von Piraten ausgesetzt war und dadurch einen Angriff schon frühzeitig unter Beschuss nehmen konnte.
Die ursprüngliche Größe der Stadt umfasste etwa sechs Hektar.


Ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer
Aber schon zweihundert Jahre nach ihrer Gründung umfasste das Stadtgebiet die dreifache Fläche. Im Bild rechts sehen wir ein Haus, das an der "Carrer Nou", der "Neuen Straße" lag und an die Stadtmauer angelehnt war. Der Boden des Hauptraums war mit Platten ausgelegt, ein kleinerer Raum war mit Fliesen gepflastert. In der Küche gab es eine Steinbank und ein Waschbecken, dessen Abfluss direkt auf die Straße hinaus führte. Ab dem 15. Jahrhundert gab es ein Hospital, das als Armenkrankenhaus funktionierte. Die Straße, die den Zugang zum Hospital gewährte, wurde folgerichtig "Carrer de l'Hospital" genannt.


Ein Haus aus dem 14. Jahrhundert
Im Jahr 1421 hatte eine große Überschwemmung ganze Landstriche verwüstet. Die Einwhoner von Rosas wandten sich an die Krone, um Hilfe zu erbitten. Königin Maria gewährte der Stadt, an jedem Freitag Markt zu halten, sowie jährlich ab dem 24. August für zwei Wochen eine Feria zu veranstalten. Eine Feria ist ein großes Stadtfest, das natürlich auch Besucher aus der Umgebung anlockt und somit der Wirtschaft und der gemeinsamen Ökonomie der Stadt zugute kommt.
Im 16. Jahrhundert wurden die Piratenangriffe immer ärger. Man organisierte daher die männliche Bevölkerung der Stadt in sogenannten "decenas", etwa "Gezehnten", in denen je zehn Mann eine Einheit bildeten. Außerdem durfte sich niemand davon drücken, in den Türmen Wache zu schieben. Sah man von dort aus Schiffe, die gefährlich werden konnten, gab man sofort Alarm und die Gezehnten versammlten sich unmittelbar mit ihren Waffen, um vom Bürgermeister Anweisungen zu bekommen.
Die Piratenangriffe kamen hauptsächlich von den Muselmanen an der nordafrikanischen Küste.


Reste der Stadtmauer aus dem 16. Jahrhundert mit neuzeitlichen Verstärkungen
(Man hatte sie ja schließlich 1492 aus Spanien hinausgeworfen.) Es gab aber durchaus auch christliche Piraten. Die Ottomanen hatten sich nicht zuletzt mit König Franz I aus Frankreich liiert, der mit Karl V (Carlos I) um die Kaiserkrone buhlte. Eine große ottomanisch-französische Streitmacht unter Admiral Hayreddin Barbarossa hatte im August 1543 Nizza belagert, musste aber von dort abziehen.
Eine der größeren Attacken auf Rosas und benachbarte Städte geschah im November desselben Jahres, als die Stadt geplündert und verwüstet wurde. Jetzt hatte der Kaiser genug. Er wollte eine fünfeckige Zitadelle erbauen, die heute als Freilichtmuseum benützt wird.


Die Sankt Johannsbastion an der südwestlichen Ecke der Zitadelle
Auch die lokalen Fürsten sahen jetzt ein, dass eine bessere Verteidigung notwendig war und die Arbeit an der Zitadelle begann. Das wieder führte neue Probleme mit sich. Die Bevölkerung litt unter dem Zusammenleben mit den Truppen, die sie ja einquartieren musste, auch wenn man schon 1598 eigene Quartiere für die Soldaten erbaute.
Diese zwei Wohnbaracken enthielten je drei mal zwölf Zimmer, von denen jedes etwa siebenundzwanzig Quadratmeter groß war, sowie mit je einem Fenster zur Lüftung und je einem Kamin zur Beheizung ausgestattet war.


Reste der Militärbaracken vom Ende des 16. Jahrhunderts
Außerdem erhöhte die Befestigung den Wert von Rosas als Festung in den Kriegen zwischen Frankreich und Spanien vom 17. bis Anfang des 19. Jahhunderts. 1645, 1693, 1794 und 1814 wurde Rosas von den Franzosen belagert und eingenommen. In den dazwischen liegenden Friedensschlüssen (die von Frankreich immer wieder gebrochen wurden), kam Rosas zurück unter spanische Herrschaft. Die letzte Belagerung, in den napoleonischen Kriegen, führte zur Zerstörung der Festung. Nun waren auch die letzten Bewohner gezwungen, sich anderswo niederzulassen. Die Aussiedelung hatte jedoch schon früher begonnen, gegen Ende des 17. Jahrhunderts. Man suchte sich östlich davon, aber gleich im Anschluss an die Zitadelle eine neue Existenz, dort wo auch heute noch die Stadt Rosas liegt.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem, Belgien 2013


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