.
SCHLOSS ÖREBRO


Der Name Örebro stammt von den kleinen Steinchen, die ein Fluss mit sich führt. Die schwedische Bezeichnung dafür ist "ör".
Der zweite Teil des Wortes kommt von der Brücke ("bro"), die man über diese Furt baute. Wichtige Landstraßen kreuzten sich hier - es war also ein strategisch wichtiger Platz, weil man von hier aus den Verkehr und damit auch den Handel im Inneren von Schweden kontrollieren konnte.
1364 eroberte Albrecht von Mecklenburg eine Festung in Örebro. Vermutlich war das ein Vorgänger des heutigen Schlosses, der auf der kleinen Insel in der Schwarza erbaut worden war. Die Festung dürfte aus einem Verteidigungsturm mit umschließender Mauer bestanden haben, aber genau wann sie erbaut wurde, weiß man nicht.
Um die nächste Jahrhundertwende wurde die Verteidigungsanlage ausgebaut, was den Freiheitskämpfer Engelbrekt allerdings nicht daran hinderte, im Jahr 1434 die Burg zu stürmen. Im Jahr danach bekam er sowohl die Burg als auch die umliegende Region als Lehen, konnte sich aber nicht lange daran erfreuen, weil er schon im nächsten Jahr ermordet wurde.
Der Unionskönig Christopher von Bayern (Christoph III) gab das Schloss ein paar Jahre später seiner Gemahlin, Dorothea von Brandenburg, als Morgengabe. Auf seinem Weg zur Königswürde belagerte Gustav Wasa die Anlage, die nun "Örebro Hus" (Haus Örebro) genannt wurde. Nach neun Monaten gab der dänische Landsvogt Anders Pederson auf.
1573 begann Herzog Karl, der später Karl IX werden sollte, das Schloss umzubauen. Er ließ die mittelalterliche Festung niederreißen und baute ein Renaissanceschloss, von den runden Türmen umgeben, die wir heute noch sehen.
Er und sein Sohn Gustav II Adolf hielten im Schloss mehrere Reichstage ab, obwohl es noch nicht fertig war. Hier drohte Karl IX im Jahr 1606 abzudanken, sollte er nicht mehr Hilfe bekommen, den Katholizismus im Land zu bekämpfen. 1610 war er einem Schlaganfall zum Opfer gefallen und der fünfzehnjährige Sohn hielt die Rede an den Reichstag.
Im Jahr darauf wurde Gustav II Adolf hier mündig erklärt. Aber als das Schloss 1627 endlich fertig war, war die hohe Zeit Örebros schon vorbei und das Schloss verfiel wieder. Es fand seine Aufgabe als Gefängnis und Lager bis in die Mitte des 18. Jhd., als es - nach Plänen von Carl Hårleman - gründlich renoviert wurde. Die Kuppeln der Türme wurden abgerissen und bekamen flachere Dächer. Das Renaissanceaussehen musste außerdem einem mehr klassizistischem weichen. Seit 1764 war das Schloss dann Residenz der Landeshauptmänner, weil man die Königswohnung umbaute. Aber als das neuvermählte Königspaar, Gustaf III und Sophia Magdalena von Dänemark, auf ihrer Hochzeitsreise in Örebro Station machen sollten, ließ der Landeshauptmann für die Hoheiten einige Zimmer aus eigener Tasche aufputzen. Als die beiden jedoch in der Stadt ankamen, hatten sie schon genug von einander. Gustaf verließ seine Gemahlin in diesem Schloss und wohnte daher niemals dort.
Da zog der Landeshauptmann selbst in diese Räume.
Es gab mehrere Gründe, warum Gustaf und Sophie einander nicht ausstehen konnten. Der extrovertierte und intelligente Gustaf verabscheute seine stille und gläubige Gattin, die ihrerseits den Lärm der Gefolgsleute nicht leiden mochte, mit denen sich Gustaf gern umgab. Die Ehe wurde erst ein paar Jahre später vollzogen - da bekamen sie zwei Söhne - aber die Gefühle kühlten danach schnell wieder ab. Während dem Reichstag 1810 wohnte König Karl XIII im Schloss, als man in der St. Nikolauskirche seinen Nachfolger wählte. Das war Karl XIV Johann, der Ahnvater der heutigen Königsfamilie.
Ein letzter Umbau, bei dem das Dach der Türme wieder erhöht wurde, geschah um die Wende zum 20. Jhd. In diesem Jahrhundert wurde das Schloss vor allem als Residenz für den Landeshauptmann und als Büro für die Regionsverwaltung verwendet. Letztere zog doch im Jahr 1992 aus und seit damals ist das Schloss der Öffentlichkeit zugänglich.

In der Rezeption, die auch als Shop werwendet wird, kauft man die Tickets für eine Guidetour. Dort ist auch noch ein Teil der Mauer vom 14. Jhd. bewahrt und freigelegt worden.

Die Führung beginnt im Hof, wo erklärt wird, dass die Eingangstüren aus der Zeit von Herzog Karl sind und dass sie verschieden groß sind, weil es ja nicht anging, dass der Herzog und seine Gemahlin dieselbe Tür benutzen sollten. Aber im Inneren führen beide Türen zur selben Treppe. ... Die Heuchelei ist also keine besonders moderne Erfindung, wie man an diesem Beispiel sieht.
Die Fremdenführerin spricht natürlich Schwedisch, aber sie gibt dieselben Erklärungen anschließend in einem ausgezeichneten Englisch, wenn das benötigt wird. Der Rundgang beginnt im Keller, dem früheren Gefängnis, wo man heute Kindergeburtstage und Ähnliches zelebriert.
Natürlich hört man hier auch die Geschichte von Lasse-Maja, dem landesbekannten Dieb, der oft als Frau verkleidet war, wenn er seine Taten ausübte. In dieser Bekleidung soll es ihm auch gelungen sein, aus diesem Gefängnis zu fliehen. Er schleicht noch heute in den Stiegenhäusern des Schlosses herum, wie wir auf dem rechten Bild sehen können.
Dieses Herumschleichen ist jedoch einer der absoluten Höhepunkte, die es zu sehen gibt. Der Rest des Schlosses ist nämlich mehr oder weniger leer - man wird stiegenauf, stiegenab geführt, bekommt zwar recht interessante geschichtliche Ereignisse erzählt, aber die historische Atmosphäre ist von zwei Jahrhunderten Bürokratie weggeblasen worden, während die Regionsverwaltung hier frei herumwirtschaften durfte. Man sieht Wände, die mit Plastikfarben bemalt sind, statt besser passendem Kalkverputz und man sieht Zimmer ohne Einrichtung, oder im besten Fall mit Möbeln aus unserer Zeit.
Die Aussicht auf die Schwarza und auf das Gebäude der ehrwürdigen Zeitung "Nerikes Allehanda" gehören zu den spannendsten Erlebnissen.
Die zusammenlegbaren Tische in einem der Konferenzzimmer haben zwar auch ein beachtliches Alter, aber man würde sie eher in einem Schulspeisesaal aus den Sechzigerjahren erwarten.
Sie hier als Ergänzung zu geschichtlichen Gemälden zu verwenden, ist nicht sehr durchdacht. Da hilft es auch nichts, dass die Sessel im naheliegenden Reichssaal mit Stoff bezogen sind, der die Konturen des Schlosses als Muster eingewebt hat.
Trotz diesen Mängeln gebührt dem Inhalt der Führung alle Ehre. Es wird zum Beispiel erklärt, dass die Dienstboten in den oberen Geschoßen arbeiteten und dass daher dort die Stufen höher sind als weiter unten, damit die Leute vom Hof nicht so hoch steigen mussten. Solche Informationen gehören durchaus zur Förderung der Allgemeinbildung.
Kleine Geschichten zwischen den historischen Fakten machen die Führung unterhaltender. So soll zum Beispiel Gustav Vasa sich seiner Beine geschämt haben und daher seine Soldaten ohne Hosen antreten lassen haben, um auf diese Art ein Stand-in auswählen zu können, das ihn auf einem Gemälde mit den Beinen vertreten sollte ... Auch zu den Kanonen gibt es eine Geschichte, die jedoch weniger lustig ist - wenigstens für den deutschen Touristen, der davon betroffen war. Man hatte die Kanonen immer am Vorabend des Ersten Mai verwendet, um "den Frühling zu begrüssen". Sie wurden dann mit Material gefüllt, das nur kräftig knallen sollte.
Aber vor einigen Jahren flog das ganze Paket aus der Kanone, gerade über die Schwarza auf das gegenüberliegende Ufer, wo man einem Zuschauer ein Bein abschoss. Seither stehen die Kanonen nur mehr zur Ansicht da.

Ohne Zweifel ist die Führung empfehlenswert - denn erst sie macht den Besuch die Mühe wert.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



Zurück zu   oder zum   vom  


Seite erstellt am 19.4.2009 by webmaster@werbeka.com