Wien 1., Die Jesuitenkirche (Universitätskirche)


Die Jesuitenkirche beherrscht heute den Dr.-Ignaz-Seipel-Platz, der früher Universitätsplatz hieß. Ganz richtig umgeben ihn Gebäude der alten Universität - denn die Jesuiten und die Universität in Wien gehörten eng zusammen.
Die Universität wurde zwar schon 1365 gegründet, kam aber nie richtig in Schwung. Noch schlimmer wurde es am Anfang des 16. Jhd., als Luthers Reformationsgedanken (1517) und die erste Türkenbelagerung Wiens (1529) die Aufmerksamkeit auf andere Dinge lenkten. Kaiser Ferdinand I (damals allerdings noch König) wandte sich schließlich 1550 an Ignatius von Loyola, der zehn Jahre vorher den Jesuitenorden gegründet hatte. Der Kaiser bat, zwei Theologen nach Wien zu schicken, die an der Universität Vorlesungen geben, sowie ein Kollegium gründen könnten.
Das Jesuitenkollegium lief alsbald der Universität den Rang ab, ein knappes halbes Jahrhundert nach der Gründung hatte man das Fünffache an Schülern, verglichen mit der Universität.
1623 kam dann die Pragmatische Sanktion von Kaiser Ferdinand II. Die Jesuiten erhielten den Lehrauftrag auch für die Universität, vorausgesetzt, dass sie ihr eigenes Kollegium der Universität angliederten und dass sie eine Kirche und ein Verwaltungsgebäude errichteten.
Jetzt wurde der Universitätsplatz erschaffen und die Kirche erbaut. Über dem großen Portal ist das Wappen von Ferdinand II angebracht und die Inschrift auf den Architraven der Fassade besagt: Gott, dem Sieger, dem Triumphator, dem Besten, dem Größten, hat Kaiser Ferdinand II dieses Siegeszeichen im Gedenken an die selige Jungfrau Maria und die heiligen Ignatius und Franz Xaver errichtet - 1627. Ignatius und Franz Xaver sind natürlich Jesuitenheilige, auch sie zieren die Fassade - in der unteren Reihe der Statuen. Die obere Reihe besteht aus den Heiligen Katharina, Joseph, Leopold und Barbara.
Die Kirche ist 50 Meter lang und 26 Meter breit.
Sie besteht nur aus einem Langhaus mit acht seitlichen Kapellen, jedoch ohne Seitenschiffe. Die großen Fenster im Gewölbe geben außergewöhnlich viel Licht im Inneren. Man weiß nicht, wer der Baumeister der Kirche war - ihre Innenausstattung jedoch wurde um 1703 von dem Jesuitenbruder Andrea Pozzo verändert, der in Oberitalien eine Ausbildung als Bildhauer, Architekt und Maler genossen hatte.
Er arbeitete vor allem mit den Seitenkapellen. Zunächst zog er Emporen ein, wobei alle vier einer Seite miteinander verbunden wurden. Die Empore jeder Kapelle wird von je zwei Säulen getragen und ragt ein kleines Stück in das Langhaus hinein. In der Mitte wurden die Emporen nach unten geöffnet, was wieder zu mehr Lichteinfall beiträgt. Die Kapellen hatten früher ein Mittelfester, das Pozzo zumauern ließ. Statt dessen wurden zwei schmale Seitenfenster ausgebrochen. Dadurch konnte man die Altäre nun an der Mittenwand anbringen.
Die drei Wände jeder Kapelle werden jeweils mit großen Bildern geschmückt. Auch den korinthischen Kapitellen der Pilaster sollte man einen Augenblick der Aufmerksamkeit schenken.
Auf obigen Bild sehen wir die Kapelle der Philosophischen Fakultät mit der mystischen Hochzeit der heiligen Katharina von Alexandria am Altarbild.

Wie wir an der Außenseite gesehen haben, ließ Kaiser Ferdinand II die Kirche als Siegeszeichen erbauen. Nach der Gestaltung in der Kirche ist es der Glaube, der siegt. Er thront am Fuß der gemalten Kuppel, also einer Scheinkuppel, (ist aber auf dem kleinen Foto schwer zu erkennen). Der Sieg wird von den Engeln erkämpft, was an dem Gewölbefresko beim Eingang gezeigt wird. Am vorderen Fresko verkünden die Engel den Sieg unter Fanfarenstößen und mit Blumen in den Händen. Das Fresko über der Apsiswölbung zeigt schließlich den Sieg, da Maria, die für das Menschengeschlecht steht, in den Himmel aufgenommen wird. Ihre Aufnahme ist ein Symbol für die Erlösung der Menschheit.

Auch das Hochaltarbild, das ja die Kirche dominiert, zeigt die Himmelfahrt Marias. Es ist dies auch ein Werk von Andrea Pozzo. Ein Medaillon darüber wird von zwei Engeln getragen und enthält die Inschrift: "Assumpta est Maria, gaudent angli" (Maria ist aufgenommen, zur Freude der Engel). Und über allem schwebt eine riesige Krone mit einem roten Baldachin.
Man darf den Zeitpunkt des Kirchenbaues nicht vergessen. Teils hatte man in der Gegenreformation die Oberhand gegen die Protestanten behalten, teils hatte man den Angriff der Türken abgewehrt - in beiden Fällen ist es also der Sieg des "richtigen" Glaubens gewesen.
Aber schon nach Kaiser Leopold I, der 1705 starb, wurde der Aufstieg der Jesuiten gebremst. Es kam zu einer Änderung in der Universitätsverfassung, die die Rechte der Jesuiten einschränkte. 1767 büßten sie den Lehrstuhl für Kirchenrecht ein und 1773 wurde der Orden aufgelöst.
1814 gab Papst Pius VII die Erlaubnis zur Wiedereröffnung des Ordens, was 1827 zu einer Restaurierung der Kirche führte. Die Fresken wurden nach Kopien der Bilder von Pozzo neu gemalt. 1848 wurden die Jesuiten in Österreich erneut verboten, vier Jahre später aber durch Kaiser Franz Joseph wieder erlaubt. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jhd., sowie 1986-1998 geschahen neuerliche Restaurierungen der Kirche.

Zum Abschluss ein paar Worte zu der Kanzel: Ganz oben steht Franz Xaver, der einen Heiden tauft, sowie darunter die symbolischen Gestalten für Glaube, Liebe und Hoffnung. Am Kanzelkorb sind die vier Evangelisten abgebildet. An der Unterseite gibt es drei Putti, wovon einer ein Teufel ist. Die Putti sind das Äquivalent zum Kampf der Engel im Gewölbe. Thematisch folgt der Aufbau der Kanzel (von unten nach oben) dem Thema der Kirche - mit der Taufe des Heiden als Sieg des Glaubens.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


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Seite erstellt am 5.10.2009 by webmaster@werbeka.com