Die Silberkammer in der Hofburg


Ich bin kein Sammler von Tellern oder Porzellan, weil mir diese Dinge viel zu zerbrechlich sind. In die Silberkammer der Hofburg kam ich hauptsächlich, weil man den Eintritt in Kombination mit dem Sisi-Museum bekam. Meine Erwartungen waren daher nicht sehr hoch gestellt, aber ich muss sagen, dass mir der Besuch dennoch das eine oder andere "Oh" hervorgerufen hat.
Schon allein die Menge der ausgestellten Dinge ist umwerfend, seien es nun Bestecke, Gläser, Kerzenhalter oder sonst etwas. Dass das meiste davon vergoldet ist, macht den Anblick nicht weniger eindrucksvoll.

Aber auch die Organisation, oder wenn Sie wollen, die Bürokratie rund um das kaiserliche Speisen ist nicht ohne. Da gab es zunächst den Hoftafelinspektor. Seine Aufgabe war natürlich zu inspizieren, was der Hoftafeldecker vor einer Mahlzeit vollbracht hatte. Der Hoftafeldecker konnte dies aber nicht allein bewältigen, deshalb hatte er diverse Hoftafelgehilfen unter sich.

Diesen unterstanden wieder die Hofsilberputzer, denn es ging ja nicht an, dass man nicht ordentlich geputzte Gegenstände auf die Hoftafel stellte. Die Hofsilberputzer brauchten natürlich bei all diesem Aufwand Hofsilberputzergehilfen. Aber vor dem Putzen musste alles vorher gewaschen werden - dafür waren die Hofsilberwäscher und -wäscherinnen zuständig, unter welchen dann noch die Offizendiener ihr Brot verdienten. Was diese genau taten, geht nicht hervor, vermutlich mussten sie die ganzen Putz- und Waschmittel einkaufen gehen und sonstige Arbeiten verrichten, für die ein Titelträger einen zu hohen Grad besaß.
Offizendiener gab es aber auch in der Hofkellerei, wenngleich die Hackordnung dort nicht ganz so ausgeprägt war. Über den Dienern standen nur die Kellergehilfen, die ihrerseits den Hofkelleroffizianten verantwortlich waren. All dies überwachte der Hofkellermeister. Zu einer Mahlzeit gehörten außerdem auch die Hofküche, die Hofwäscherei, die Hofzuckerbäcker und noch viele andere.
Es musste außer der Kaiserfamilie aber auch der ganze Hofstab versorgt werden, wenn sich die Leute im Dienst befanden. Wenn in- und ausländische Gäste anwesend waren, fielen auch sie und ihre Bediensteten zu Lasten der Hofküche. Es war also zugegebenerweise ein ziemlicher Apparat, der hier in Gang gehalten werden musste.
Am Rande bemerkt: Erst vor zehn Jahren, also 1999, wurde Republikgeschirr eingekauft, bis dahin verwendete man bei Staatsbanketten ausschließlich die kaiserlichen Utensilien.
Ein paar Daten aus der Tafelwäsche: Es gab runde Tafeltücher mit einem Durchmesser bis zu 4,20 Meter. Rechteckige Stücke hatten eine Breite von drei bis vier und eine Länge von bis zu zwanzig Metern! Auch die Kaiserservietten besaßen anständige Ausmaße von 90 mal 90 Zentimetern.
Noch ein anderes Kapitel sind die Tafelaufsätze, die hauptsächlich zum Dekor dienten. Ihr Ursprung geht weit zurück, besonders bekannt sind sie vom burgundischen Hof im 15. Jhd.
Damals allerdings wurden die Aufsätze für jede Tafel gesondert angefertigt. Erst Mitte des 18. Jhd. begann man den Tafelzubehör aus Porzellan, Glas und vergoldeter Bronze herzustellen. Diese Gebilde wurden dann von Zuckerbäckern und den Tafeldeckern verziert. Sie dienten meist dazu, das Dessert zu präsentieren, das aus Eis, Konfekt und sonstigen Bäckereien bestand. Außer dem Essbaren wurde die Tafel auch mit Blumen und nicht zuletzt Kerzen geschmückt.
Der Tafelaufsatz im Bild rechts ist der von Manfredini im Jahr 1838 hergestellte Mailänder Aufsatz aus vergoldeter Bronze.

Es gibt noch viele andere Dinge zu sehen, die aufzuzählen viel zu weit führen würde - daher seien nur schnell einige erwähnt: das Wiener Hoftafelsilber aus der ersten Hälfte des 19. Jhd., das Imari-Porzellan, aus Japan und China, und das Mintonsche Dessertservice, das Königin Victoria als Geschenk für Franz Joseph gekauft hatte.

Ferner gibt es ein Service mit grünen Bändern, ein anderes mit grünem Fond, nicht zuletzt das Wiener Kongress-Service. Nachdem der Hof nach den Kriegen gegen Napoleon kein Edelmetallservice mehr hatte, bestellte man bei der Wiener Porzellanmanufaktur schnell ein Service aus Porzellan, das man ganz vergolden ließ, um den Schein zu wahren.
Dann gibt es noch die Ährenterrinen (im Bild rechts) zu bestaunen und das aus massivem Gold bestehende Mundzeug von Maria Theresia, das nicht nur das Besteck umfasste, sondern auch aus einer Gewürzdose und einem Eierbecher bestand.
Was mir persönlich am besten gefällt, das sind die verschieden verzierten Dessertteller, die auch in Hülle und Fülle gezeigt werden. Es mag durchaus sein, dass sie an Rang und Wert nicht an die hochkarätigen Service herankommen, aber auch wenn diese schön sind, dann sind sie eben nur "schön", während die Dessertteller oft eine Aussage beinhalten, die aus Geschichte oder Mythologie geholt worden sind und somit auch den Geist anregen.

Hier sehen wir die Römerin Lucretia, die sich ein Schwert in den Leib rennt, weil sie am Tag vorher vergewaltigt worden ist - was aber letztendlich im Jahr 509 v. Chr. zur römischen Republik führte. Wir sehen auch Orpheus, der seine Eurydike aus der Unterwelt loseisen konnte, der sich aber im letzten Moment doch noch umdrehte und sie so für immer verlor. Auch Aphrodite ist da, die ihren Geliebten, Adonis, tot auffand, nachdem ihn der eifersüchtige Ares in Form eines Wildschweins getötet hatte. Schließlich sehen wir Leda, die sich von Zeus als Schwan verführen ließ, was dann zur Geburt der schönen Helena und in der Verlängerung zum Trojanischen Krieg führte.

Schon damals suchten - in guten Zeiten und in schlechten Zeiten - sogar in Dallas und auf Falcon Crest Bauern eine Frau, die gern eine zauberhafte Hexe sein durfte - aber sie hatten trotzdem noch Zeit für Allgemeinbildung, weil sie noch keinen Fernseher hatten, der sie mit amerikanischem Kitsch vollaufen ließ.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


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Seite erstellt am 13.11.2009 by webmaster@werbeka.com