Wien 1., Stadtspaziergang (Teil 4)


Nachdem wir die Ruprechtskirche wieder verlassen haben, stehen wir auf der Seitenstettengasse. Dort, wo heute das Haus Nummer 1 steht, stand früher das Praghaus. Man hat keine Ahnung mehr, warum es so hieß, aber es gibt zwei Erzählungen, die wert sind, nicht vergessen zu werden.
Der Böhmenkönig Wenzel IV verbrachte hier 15 Monate in Gefangenheit (es ist möglich, dass der Name daher kommt). Er hatte nämlich mit dem König von Ungarn, der sein Bruder Sigismund war, Differenzen. Sigismund gelang es, Wenzel zu fangen und er lieferte ihn an Herzog Albrecht IV von Österreich aus. Am 14. November 1403 gelang es ihm aber, mit Hilfe eines Fischers über die Donau zu flüchten.
Nebenbei bemerkt war Wenzel  ein despotischer und unbeliebter König.

Die zweite Anekdote spielt zur gleichen Zeit. Herzog Wilhelm von Österreich, ein Vetter des obengenannten Albrecht IV, hatte unser Haus 1397 gekauft. Er hatte außerdem einen zahmen Löwen als Haustier (und Bewacher von Wenzel IV?). Der Löwe war sehr anhänglich und folgte seinem Herrn wie ein Hund. 1406 stürzte Wilhelm bei der Jagd vom Pferd und starb kurz danach im Praghaus. Daraufhin blieb der Löwe neben dem Totenbett liegen und verweigerte jede Nahrung, bis er selbst starb.
Aber auch das Haus Nummer 2 hat berühmte Personen erlebt. Ein Schild mit seinem Relief besagt, dass Adalbert Stifter hier von 1842 bis 1848 gelebt hat. Ein neueres Schild behauptet, dass er von hier aus "am 8. Juli 1842 die einzige, im Wien der Neuzeit eingetretene, totale Sonnenfinsternis" beobachtet habe.

Das ist nicht richtig. Er hat die Sonnenfinsternis beschrieben und sagt selbst: "Aber, da sie nun wirklich eintraf, da ich auf einer Warte hoch über der ganzen Stadt stand ..." Er dürfte das Naturereignis vom Dach des um die Ecke liegenden Turms beobachtet haben, den wir uns jetzt auch ansehen wollen.
Bevor wir deshalb die Seitenstettengasse abwärts wandern, gehen wir eine Gasse zurück, zu den Stiegen, die links zum Fleischmarkt hinabführen. Wir brauchen aber nicht hinunter zu gehen, denn den Turm, um den es uns geht, sieht man schon von weitem. Es ist der sogenannte Kornhäusel-Turm, der 1825 - 1827 entstanden ist. Sein Baumeister war der Architekt Joseph Kornhäusel - und die Legende erzählt, dass er eine sehr eifersüchtige und streitsüchtige Frau hatte. Wenn er der Querelen überdrüßig gewesen war, soll er sich in seinen Turm zurückgezogen haben. Und sollte ihm sein zänkisches Weib auch dorthin nachgerannt sein, ging er ins oberste Stockwerk hinauf, zog die Leiter hoch, die der einzige Zugang war, und schloss die Falltür.
Kornhäusel ist auch mit der Seitenstettengasse eng verbunden. Deshalb gehen wir jetzt die paar Schritte zurück und biegen erneut vor der Kirche rechts ab. Der Name der Straße kommt vom Stift Seitenstetten, das heute noch hier Grund besitzt.
Das Gebäude linker Hand heißt ebenfalls Seitenstettnerhof. Die meisten übrigen Gebäude in dieser Straße sind aber von Joseph Kornhäusel errichtet worden, etwa um die Zeit, als er seinen Turm baute. So errichtete er zum Beispiel auch die jüdische Synagoge, auf Nummer 4 in dieser Straße.
Hier, wie im gesamten "Bermuda-Dreieck", ist übrigens der Autoverkehr verboten. Am Tag ist hier aber nicht viel los, deshalb gehen wir zum Rabensteig hinunter, biegen rechts ab und dann gleich wieder links. Nach dieser kurzen Gasse sind wir wieder auf der Rotenturmstraße, die wir jedoch nur überqueren. Dann gehen wir ein paar Meter nach links und biegen rechts in die Griechengasse ein. Im Hintergrund haben wir hier einen Blick auf einen gotischen Wohnturm, der schon 1483 auf einem Bild aufscheint und daher älter sein muss. Ursprünglich war dies ein Turm in der Stadtmauer, das Gebäude wird aber heute für Wohnungen benutzt.
Der Steyrerhof rechts auf Nummer 4 kann dem Turm aber vielleicht Paroli bieten, denn wir wissen, dass Ulrich von Steyr hier im Jahr 1412 ein Haus erworben hat, das seinen Namen bekam. Aber es kommt noch besser. Wohl ist auf dem Haus die Jahreszahl 1611 vermerkt, aber die gilt nur dem letzten Umbau. Man hat Ende des vorigen Jahrhunderts vielmehr den alten Verputz des Hauses weggeklopft - und dahinter die Formen des ursprünglichen Hauses gefunden, die heute mit weiß umrahmt sind. Es ist schwierig, auf dem schmalen Gässchen gute Bilder zu machen, aber diese Fenstergliederung wäre auch in moderner Zeit etliche Aufmerksamkeit wert.
Teilweise hat man die Originalfarbtöne ebenfalls wieder hergestellt und auch die Originalsteine durch den Verputz durchscheinen lassen.
Im 16. Jhd. war der Steyrerhof zu einem fashionablen Gasthof geworden, der viel Nobilität sah. Es gab allerdings auch andere Feste, wie das im Jahr 1595. Die Offziere eines Regiments, das verabschiedet wurde, feierten das Ereignis im ersten Stock. Die einfachen Soldaten, die Landsknechte, versammelten sich unten und vermuteten, dass da oben ihr Sold versoffen wurde. Sie drohten, das Tor einzuschlagen - da begann man von oben auf sie zu schießen.
Schließlich kam eine Bürgermiliz und vertrieb die Landsknechte. Das Gesetz des Dschungels, die Macht des Stärkeren, hatte wieder gesiegt. Leider hat sich - im Grunde genommen - bis heute nicht viel daran verändert, nur - im Rechtsstaat geben die Gerichte dem Stärkeren recht.
Linker Hand gehen wir dann an der Griechisch-Orientalischen Kirche vorbei, auf der ein Schild angebracht ist, das besagt, dass die Wiener Griechen ihres großen Landsmannes Rhigas Velestinlis-Pheraios zum 200. Todestag gedenken. Der Schriftsteller und Revolutionär war einer der Wegbereiter der Revolution 1821, die Griechenland die Unabhängigkeit von der Türkei gab. Er war zwar schon 1798 hingerichtet worden, aber sein Freiheitsgedanke lebte weiter. Zwei Jahre vor seinem Tod hatte er sich in Wien aufgehalten und hier revolutionäre Lieder und Schriften verfasst. Er ist heute auf der griechischen 10-Cent-Münze abgebildet.
Wir haben nun den kleinen Platz vor der Griechengasse 7 erreicht. Das Madonnenbild am Haus und die Laterne davor stammen aus der Barockzeit. Die Griechengasse führt hier in einem Bogen nach rechts und wir folgen ihr.
Sie wird jetzt ganz schmal und an der Hauswand sehen wir ein Schild mit einer Verordnung von 1912!

Am Ende der Griechengasse liegt das Griechenbeisl, das ja nicht zuletzt durch den lieben Augustin bekannt ist. Aus Platzgründen wird daraus allerdings wieder eine eigene Seite.

Wir befinden uns jetzt wieder am Fleischmarkt, an dessen Anfang wir den Kornhäusel-Turm gesehen haben, und biegen hier links ab. Vorher werfen wir noch schnell einen Blick auf das Haus, das dem Griechenbeisl gegenüber liegt. In der Höhe des dritten Stockwerks findet man eine Hommage an Kaiser Joseph II: "Vergänglich ist dies Haus, doch Josephs Nachruhm nie. Er gab uns Toleranz, Unsterblichkeit gab sie."
Das unterschreibe ich gern. Es hat im Lauf von acht Jahrhunderten unter den Habsburgern natürlich bessere und schlechtere Regenten gegeben - Joseph II gehört unbedingt in erstere Gruppe. Leider war er seiner Zeit voraus und daher oft missverstanden, er war aber sicher einer der intelligenteren Herrscher. Das, zusammen mit seiner Erziehung unter Maria Theresia, färbte sein Werk so, dass es tatsächlich unsterblich geworden ist.

Das nächste Haus linker Hand ist wieder eine griechische Kirche, diesmal jedoch die griechisch-orthodoxe. Der Unterschied zur griechisch-orientalischen Kirche geht schon auf das Jahr 451 zurück und gründet sich auf verschiedene Auffassungen, nämlich ob Christus zugleich Mensch und Gott war, oder nicht. Spitzfindigkeiten? Was hätte Christus wohl selbst dazu gesagt? Vielleicht hätte er Joseph II sogar recht gegeben, als dieser bei den religiösen Ausübungen ein wenig aufräumte?

Wir gehen jetzt an der Wolfen- und der Drachengasse vorbei, benannt nach einem Gasthaus, beziehungsweise einem Herrn Drach. Dann kommen wir zur Postgasse, wo wir rechts einbiegen. Dort finden wir die nächste Kirche. Das ist die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche St. Barbara. Sie wurde 1652 - 1654 erbaut, die Fassade jedoch 200 Jahre später erneuert und dabei romanisiert. Leider ist die Eingangstür abgesperrt, aber durch das Glasfenster gelingt trotzdem ein Bild der Innenansicht.
Die griechisch-katholische Kirche gehört zu den unierten Kirchen, die zwar dem Lehrinhalt nach orthodox sind, aber dennoch den Papst als Oberhaupt anerkennen. In der Ukraine wurde während der Sowjetherrschaft versucht, die Mitglieder mit der orthodoxen Kirche zwangsweise zu fusionieren. Das konnte natürlich nicht gelingen, sondern die Kirche wanderte in den Untergrund ab, beziehungsweise ins Exil. Erst 1990 konnte man zurückkommen. In Kiew wird seit 2000 eine Kathedrale erbaut.
Vor der Kirche sind Andrij Hnatyschyn, Komponist und Dirigent, beziehungsweise der Schriftsteller Iwan Franko verewigt. Eigentlich liegt die Kirche in der Riemergasse, die hier im spitzen Winkel von der Postgasse abzweigt. Deshalb überqueren wir die Straße wieder und gehen in der Postgasse vor bis zur Schönlaterngasse. Nummer 13 wurde als "Totendoktorhaus" bezeichnet, denn im 15. Jhd. lebte hier ein Doktor Urssenbeck, der gleichzeitig Rektor an der Universität war. Er war einer der besten Diagnostiker und rettete das Leben von Graf Auersperg, als man diesen schon tot glaubte.
Das konnte ja nicht mit rechten Dingen zugehen, deshalb vermutete man, dass der gute Doktor mit dem Teufel im Bunde war. Als er kurz nach der Rettung von Auersperg selbst starb, nahm man an, dass er sein Leben gegen das des Grafen getauscht hatte. Wieviele "Vermutungen" führen denn nicht heute auch noch zu Anfeindungen und Verleumdungen?

Auf Nummer 9 liegt die "Alte Schmiede". Der Kunstschmiedebetrieb wurde 1970 aufgegeben und seither befindet sich dort ein literarisches Quartier, das den Namen übernommen hat. Dort gibt es eine Galerie der Literaturzeitschriften und bei freiem Eintritt Lesungen von zeitgenössischen Verfassern.
Nicht zuletzt aber ist der Schlüssel als Logotype der Schmiede erhalten geblieben und ist ohne Zweifel ein Augenfang in der Schönlaterngasse.

Im Nebenhaus, auf Nummer 7A, zwischen zwei Fenstern im ersten Stock, macht ein Schild darauf aufmerksam, dass Robert Schumann von Oktober 1838 bis April 1839 dort gewohnt hat. Das Schild hat man am 29. Juli 1956 "anlässlich der hundertsten Wiederkehr des Sterbetages dem Tondichter der Romantik" gewidmet.
Gleich daneben, auf Nummer 7, gibt es wieder ein beachtenswertes Haus, denn es ist urkundlich schon 1212 erwähnt, jedoch "im Wesentlichen in der Gestalt aus dem 17. Jhd.".
Doch nicht nur das Alter des Hauses lässt es aus dem Rahmen treten, sondern dies ist das sogenannte Basiliskenhaus. Im Bild rechts ist der Text an der Hauswand wiedergegeben. Die ganze, erzählte Sage finden Sie unter obigem Link.
Gegenüber, auf der anderen Straßenseite, auf Nummer 6, finden wir den Grund des Namens dieser Straße. Dort hängt heute nämlich eine Kopie der "schönen Laterne", deren Original seit 1971 im Historischen Museum der Stadt Wien zu finden ist. Vielleicht hatte es sich bei dem Original jedoch um eine rote Laterne gehandelt, denn in den anliegenden Fenstern sollen früher schöne Damen gern ihre Reize gezeigt haben ...

Wieder auf der anderen Straßenseite sehen wir den Heiligenkreuzerhof mit der St. Bernhards-Kapelle, die in die anderen Gebäude integriert ist und heute hauptsächlich für Hochzeitszwecke verwendet wird. Sie wurde 1679 geweiht und ihre Innenausstattung im Hochbarock soll von Martino Altomonte sein. Leider ist sie heute meist geschlossen.
Wir betreten den Hof des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz, das den Grund schon seit etwa 800 Jahren besitzt.

Die ältesten Fundamente stammen von 1170 und auch die Mauer stammt noch teilweise aus der Zeit der Babenberger, was zu sehen ist, wo man den Verputz des 17. und 18. Jhd. weggenommen hat. Ein Großteil des Hofes wurde allerdings zwischen 1659 und 1676 abgerissen und neu aufgebaut. Sein heutiges Aussehen erhielt der Hof dann im 18. Jhd. Der Gebäudekomplex umfasst auch ein Miethaus, das oft als das älteste Miethaus von Wien bezeichnet wird. Wir überqueren den Heiligenkreuzerhof und kommen in der Grashofgasse heraus. Hier ist ein Gebäude mit dem Namen Grashof schon 1337 erwähnt worden.
Am Ende der Grashofgasse biegen wir links in die Köllnerhofgasse ein. Natürlich hat auch sie eine geschichtliche Bezeichnung - hier stand ein Gasthaus aus dem 13. Jhd., das Köllnerhof geheißen hat. Hier wohnten die Händler, die aus dem Rheintal kamen. Auf Nummer 13 wohnte auch der Dichter Theodor Körner in den Jahren 1811 - 1813. Die Köllnerhofgasse führt uns zur Sonnenfelsgasse, wo wir abermals links abbiegen. Gleich um die Ecke befindet sich der Zwölf Apostelkeller im sogenannten Hildebrandthaus, das so heißt, weil die Fassade von 1721 im Stil Lucas von Hildebrandts errichtet wurde.
Aber auch in Wien ist nicht alles Gold, was glänzt. Am Haus Nummer 15 steht wohl "Haus mit Renaissance-Portal, Ende des 16. Jahrhunderts erbaut", aber es ist ziemlich verkommen. Nicht nur, dass es sehr abgeschlagen aussieht - was machen denn die zwei Schilder mit "Garage - Einfahrt freihalten" auf dem Tor? Schade darum. Das nächste steht auf Nummer 19.
Die Tafel berichtet, dass es das "Ehemalige Domus Universitatis"ist, das 1628 erbaut wurde. Über dem Tor steht eingemeißelt, dass es 1721 restauriert wurde. Zwei weitere Schilder erzählen, dass der erste Vorschlag zu einer Akademie der Wissenschaften in Wien von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716) gemacht wurde, beziehungsweise, dass der Reformator Ulrich Zwingli 1498/99 und 1500 in Wien studierte. Unter der Skulptur des Studenten besagt der Text: "Dieses Haus diente einst der Universität als Amtsgebäude/Hohe Schule und Studenten gaben dem Stubenviertel das Gepräge."

Wir befinden uns jetzt am Dr.-Ignaz-Seipel-Platz, dem früheren Universitätsplatz, der im Anschluss an die Sonnenfelsgasse von der Jesuitenkirche überragt wird. Für die Beschreibung der Kirche, bitte obigen Link anklicken.
Wir wenden uns jetzt aber wieder dem Platz zu.

Die Ostseite des Platzes wird von der alten Universität eingenommen. Das Gebäude wurde 1623 - 1627 von den Jesuiten errichtet; die Universität in Wien wurde aber schon 1365 von Herzog Rudolf IV dem Stifter gegründet. Damit war sie, nach Prag, die zweitälteste Universität im deutschsprachigen Raum. Als die Universität im 18. Jhd. quer über den Platz übersiedelte - in das Haus, wo heute die Akademie der Wissenschaften ist (Bild) - beherbergte das alte Haus kurzzeitig die Wiener Sängerknaben. Eine Tafel an der Wand erklärt: "In diesem Hause des einstigen k.k. Stadtconviktes besuchte Franz Schubert von 1808 - 1813 das akademische Gymnasium als Pensionär und Hofsängerknabe."
Wobei mit "Pensionär" eher Vollpension als Alterspension gemeint sein dürfte.
Im neuen Haus der Universität wurde auch Haydns "Schöpfung" uraufgeführt. Dem damals schon sehr alten Meister gratulierte unter anderen auch ein junger Mann, der vor ihm auf die Knie fiel und ihm die Hand küsste. Darauf soll Haydn prophezeit haben: "Was ich begonnen habe, wird er vollenden." Er hatte ganz recht, denn der junge Mann war Beethoven.
Wir biegen nun rechts in die Bäckerstrasse ein und sehen gleich linker Hand auf Nummer 16 ein blaues Barockhaus, das im Eingangsflur die Geschichte des Hauses auf einer Bronzeplatte als "Kleine Chronik dieses Hauses" verewigt hat: 1000 - Hier stehen zwei frühmittelalterliche Giebelhäuser, deren Grundmauern noch heute das Haus tragen. 1340 - Die "Vordere Peckenstraße" (heute Bäckerstraße) wird erstmals urkundlich erwähnt; der Straßenverlauf ist seither unverändert. 1440 - Das Haus scheint urkundlich als Teil des Universitätsviertels auf. 1679 - Die Pest fordert auch in diesem Haus zahlreiche Todesopfer. 1683 - Während der 2. Türkenbelagerung muss das Schindeldach wegen Brandgefahr abgetragen werden. 1712 - Das Gebäude erhält sein heutiges Aussehen im barocken Stil. 1947 - Die Schäden aus dem 2. Weltkrieg werden behoben und das Haus ist im alten Stil wiederhergestellt.
Stifter dieser Platte ist Dr. Helmut Erd. (1994) Danke!
Die nächste Sehenswürdigkeit finden wir schon zwei Häuser weiter, auf Nummer 12. Dort fand man während der Restaurierungsarbeiten 1978 ein altes Hauszeichen, das heißt, wenigstens einen Teil davon. "Wo die Kuh am Brett spielt" hieß dieses Haus. Ihr Gegner, ein Wolf oder ein Fuchs, ist leider hinter einem späteren Anbau verschwunden und man sieht nur mehr die Schnauze.
Man hat dieses Hauszeichen als Symbol für den Streit zwischen Protestanten und Katholiken im 17. Jhd. gesehen, allerdings erscheint mir das unwahrscheinlich. Viel eher scheint mir eine alte Sage der Wahrheit näher zu kommen, weil sie die Kuh ganz ohne Symbolik erklären kann.
Es war nämlich der Stadtrichter von Wien, Hieronymus Kuh, der sich hier ein Haus errichtete. Der Rat des Herzogs (Rudolf IV), Hans Kagelwidt, war ein gern gesehener Gast im Haus. Er kam fast täglich, um mit dem Hausherrn eine oder zwei Partien Brett zu spielen.
Und wenn der Richter noch nicht zu Hause war, wurde ihm das Tor von Trude, dessen Tochter, aufgetan. So auch an diesem Tag. Herr Kagelwidt wartete im Garten des Innenhofes auf den Stadtrichter und genoss inzwischen den Duft eines Rosenstrauches. Er bog soeben eine Rose zu sich, als der Zweig brach - natürlich in dem Augenblick, als Trude aus dem Haus in den Garten kam. Der Rat wusste sich nun keinen besseren Rat, als dass er - zusammen mit einem Kompliment - die Blume dem Mädchen ansteckte. Beim Spiel war Herr Kagelwidt dann sehr zerstreut, was auch dem Gastgeber auffiel. Aber die Erklärung folgte auf dem Fuße, als der Rat um die Hand von Trude anhielt. Ihr Vater, der Stadtrichter, hatte keinen Einwand, doch wollte er Trude selbst wählen lassen und bat den Freund, am nächsten Tag wieder zu kommen.
Nun, Trude war nicht nur einverstanden, sondern auch erfreut und machte sogleich Pläne für die Verlobung. Doch wollte sie, dass auch die Namensgebung des Hauses gleichzeitig geschehen solle, weil man das bisher verabsäumt hatte. Sie bat Vater und Bräutigam, einen Namen auszudenken, aber als die beiden keinen tauglichen Namen fanden, gab sie ihnen das Brettspiel als Tipp. Herr Kagelwidt war sofort Feuer und Flamme und versprach, sich darum zu kümmern.
Der Rat heuerte einen Maler an, der emsig zu arbeiten begann, sein Werk jedoch hinter einem Verschlag verbergend. Am Sonntag war der Tag der Verlobung gekommen und es wurden viele Gäste erwartet. Vor dem Gastmahl sollte allerdings das Gemälde enthüllt werden. Das hatte sich herumgesprochen und die Bäckerstraße war voll von Neugierigen, die sich um das Haus drängten. Der Maler bekam schließlich ein Zeichen und zog an einer Schnur - und lautes Gelächter erscholl. "Die Kuh am Brett", ging es von Mund zu Mund - aber der Stadtrichter war nicht sehr erfreut und auch Trude machte ein böses Gesicht. Auf ein neues Zeichen jedoch zog der Maler an einer anderen Schnur und die täuschende Leinwand fiel herunter und deckte die darunter liegende Malerei ab, auf der das Brettspiel voll blühender Rosen umwunden war. Die lauten Beifallsrufe des Publikums versöhnten den Stadtrichter und Trude wieder, aber das Haus wurde im Volksmund weiterhin "wo die Kuh am Brett spielt" benannt.
Das erklärt natürlich nicht, warum heute wieder die Kuh dort zu sehen ist, aber möglicherweise hat ein Nachkomme des Herrn Kagelwidt das Bild neu malen lassen und den Ahnherrn als Fuchs dazu.
Gleich gegenüber führt ein Gässchen zur Sonnenfelsgasse zurück, das ist die Windhaaggasse, benannt nach Enzmüller Baron Windhaag. Er soll bis zu 40.000 Leute gezwungen haben, zum Protestantismus zu konvertieren, was natürlich seiner Beliebtheit nicht gut getan hat. So erzählt man sich, dass seine Mutter eines Nachts über einen Friedhof gehen musste, als ihr plötzlich ein Skelett auf den Rücken sprang und sie zwang, mit ihm huckepack zurück zu ihrem Haus - in der Bäckerstraße 9 - zu gehen. Neun Monate später wurde dann Enzmüller geboren ...
Eine andere Fassung erzählt von dem Skelett, aber dass die Frau es tat, um eine arme Seele zu erlösen. Wie auch immer, das Haus hieß seit damals "Huckepackhaus".

Im Nachbarhaus auf Nummer 7, soll es einen schönen Renaissancehof mit einer Madonnenstatue geben, aber leider war das Haustor versperrt.

Doch wir finden eine andere, barocke Madonna nur ein Stück weiter, in der Bäckerstraße 2. Gleich daneben gibt es einen Durchgang zur Parallelstraße, der Wollzeile. In diesem Durchgang liegt das Restaurant Figlmüller, wo es Wiens "berühmteste" Schnitzel gibt. Dünnere (und daher größere) Schnitzel sind in der Tat schwer zu finden, sie decken meist mehr als den Tellerrand.
Andererseits sind sie so dünn, dass man manchmal nur den Geschmack der Paniere im Mund hat - und nichts vom Fleisch schmeckt. Mir ist ein Schnitzel in einem deftigen Wiener Bezirksgasthaus lieber ... Trotzdem ist das Lokal meistens voll. Aber klar, alle Touristen wollen einmal ein Schnitzel beim Figlmüller gegessen haben.

Inzwischen sind wir am Lugeck angekommen. Dies ist auch ein sehr alter Platz, schon 1257 wird er als Luogeckhe erwähnt. Das deutet natürlich auf einen Platz hin, von dem man Ausschau halten konnte, aber es ist kein solcher Turm oder Ähnliches bekannt. Dagegen war es ein wichtiger Handelsplatz, wo sich die Händler aus vielen Nationen trafen. Hier stand auch der Regensburger Hof, wo hauptsächlich die Bayern ihr Domizil aufschlugen. 1896 wurde er abgerissen, jedoch bemühte man sich beim Wiederaufbau im Jahr darauf, nahe dem Original zu bleiben.

Hier wurden auch repräsentative Feste gefeiert, so traf Kaiser Friedrich III hier den Ungarnkönig Matthias Corvinius. Deshalb ist dieser Kaiser heute noch an der Fassade verewigt.

In früherer Zeit gab es ein großes Loch hier, mitten am Platz, das sogenannte Marcus Curtius-Loch, über dessen Zweck man heute nur Vermutungen anstellen kann.

Einige glauben, dass man hier die erste Pummerin gegossen hat (die Pummerin ist die größte Glocke des Stephansdomes, die heute im Prinzip aber nur mehr das neue Jahr einläutet).
Marcus Curtius war ein römischer Soldat, der sich samt Waffen, Rüstung und Pferd in einen Spalt stürzte, der mitten am Forum Romanum aufgegangen war. Die Auguren hatten nämlich verkündet, dass das Loch sich erst schließen würde, wenn man das opferte, wovon die Macht Roms am meisten abhängig war. Nun, Marcus Curtius dachte, dass dies die Tapferkeit eines römischen Soldaten sein musste. Tatsächlich schloss sich das Loch auf dem Forum nach diesem Opfer.
Weshalb oder wie das Loch in Wien sich schloss, bleibt aber im Dunkel der Geschichte verhüllt. 1900 wurde die Statue Gutenbergs hier errichtet, auf einem Sockel, dessen lateinische Inschrift "Apoll über den Wolken" lautet. Die Sonne ist halb ins Meer eingetaucht. Wenn man die müde Gestalt Apolls betrachtet, muss es sich hier um einen Sonnenuntergang handeln, es sei denn, Apoll war ein Morgenmuffel.

In gibt es eine neue Stadtwanderung.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem, 2009


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Seite erstellt am 5.10.2009 by webmaster@werbeka.com