GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Schiffe mit "innerlicher Kraft"

Man denkt ja gar nicht an die vielen Details, die vor dreihundert Jahren ganz andere Voraussetzungen bedingten. Natürlich wissen wir theoretisch, dass die Schiffe früher von Pferden stromaufwärts gezogen wurden - aber wir haben kaum eine Vorstellung davon, wie mühsam das gewesen sein muss - und wieviel Zeit es gekostet hat.
Der folgende Artikel der Wiener Zeitung vom 21. Januarius 1730 brachte folgende Meldung aus Paris:

Dieser Tagen hat der Graf von Sachsen, von seiner neu-erfundenen Galeeren, welche mit eigener Kraft ohne Zug-Pferde, sich wider die Ströhme deren Wässeren, herauf arbeiten kann, die fernerweite Probe abgelegt. Diese innerliche Kraft bestehet in 38. Rudern, welche nur von 4. Mann vermittelst eines zu beiderseits angelegten Schraub- Schloß- und Radwerks beweget werden kan. Vermittelst solcher Prob, ist dieser Herr von Seves bis an die alhiesige Königl. Brucken in Zeit von einer halben Stund den Sayne-Fluß hinauf geruderet. Eine noch weitere Probe gedenket erwehnter Erfinder zu thun, indeme er noch diese Woche gesinnet, in Zeit von 24. Stunden, mit seiner Galeeren nacher Rouen hinunter, sodann von dannen wieder hinauf bis anhero in Zeit von dreyen Tägen zu ruderen da hingegen die von erwehntem Rouen, mit Pferden bis anhero herauf gezogene Schiffe zu solcher Reise eine Zeit von 15. Tägen gebrauchen.

Ich weiß nicht, wie es bei dieser zweiten Probe gegangen ist, aber auf jeden Fall war die Idee geboren und konnte früher oder später umgesetzt werden. Wir denken, dass unsere heutigen Errungenschaften so großartig sind - aber ein fünffacher Zeitgewinn muss doch damals genau so umwerfend gewesen sein, wie heutzutage die Möglichkeit eine e-Mail zu schicken?
Der Straßenabstand zwischen Rouen und Paris beträgt 135 Kilometer, aber da die Seine ein paar richtig große Meanderschlingen macht, schätze ich, dass der Flussabstand etwa 200 Kilometer beträgt.
Moritz Graf von Sachsen war ein Sohn des polnischen Königs August II, der aber als 24jähriger in französische Dienste trat und dann unter anderem im polnischen Erbfolgekrieg, wie auch später im österreichischen dito große Erfolge erzielte. Er wurde Marschall von Frankreich und erhielt 1746 von König Ludwig XV das Recht auf Schloss Chambord zu leben. Davon machte er in Saus und Braus Gebrauch, bis er dort 1750 auf mysteriöse Art verstarb.


Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010


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