Alte Zeitungen, Teil 3



Das Logotype der Wiener Zeitung von 1722 ...

Es ist vielleicht nicht so sehr von Gewicht, zu erfahren, dass am 20. Dezember 1721 in Neapel "ein mit starcken Wind Donner und Hagel vermischtes Ungewitter entstunde welches die gantze Nacht anhielte". Dies kann man nämlich dem Brief vom 22. Dezember 1721 entnehmen, der von der Wiener Zeitung, beziehungsweise damals vom Wiener Diarium vom 14. Januarii 1922 referiert wurde.


... und von heute

Da ist folgende Meldung schon interessanter: "Sonsten wären im abgewichenen Jahr 1721 zu Dresden 404 Paar getrauet, 1391 getauft und 1860 begraben worden."
"In und vor der Stadt" Wien waren es 4104 geborene und getaufte Kinder, die zur Welt kamen. Bei Durchsicht der Krankenbücher (ebenfalls das Jahr 1721 betreffend) liest man, dass "1053 Krancke (von deren 496 elendig vor der Porten gantz verlassen Ligende) angenommen worden, worunter sich 65 Lutheraner, davon 4 sich zu den Catholischen Glauben bekennet befunden: in allem aber seynd gestorben 107, mithin 946 zur völligen Gesundheit gelanget."
Es ist natürlich schrecklich, dass man die Hälfte der Kranken vor dem Tor auflesen musste, aber zimperlich durfte man zu dieser Zeit eben nicht sein ... Die Meldung über die Lutheraner ist auch nicht ohne Brisanz. Hat man die sterben lassen, sofern sie sich nicht zum Katholizismus bekannten? Das ist ungefähr so wie in den Vereinigten Staaten heute: wenn man sich nicht zum Mammon bekennt und daher keine Krankenversicherung hat, kann man durch die Finger schauen, wenn man krank wird. Die Zeiten ändern sich kaum, nur die Vorzeichen ...

Bedrückend ist auch, dass die erste Seite ganz den Tätigkeiten von "die beede Regierende Kayserl. Majestäten" gewidmet wird, die grob gesagt, nicht einmal furzen durften, ohne dass das vermeldet wurde. Und dann wieder: ist es heute nicht tausendmal ärger mit unseren Prominenten und der Skandalpresse?

Die "Päpstl. Heiligkeit" war trotz Fußbeschwerden aufgestanden "und haben am Heil. Christ-Fest Meß gelesen", wird aus Rom vermeldet.
Dort entfiel aber wegen Schlechtwetters das große Kunstfeuer, das man zu Ehren "der Heyrat des Königs aus Franckreich" entfachen wollte.
Ebenfalls aus Rom kommt folgende Meldung: "Der Cassier des Hauses Albani, nachdeme er 6. bis 7000 Thaler gesamlet, ist mit diesem Geld durchgegangen; und obwolen man sich eiferig bemühet, denselben wieder einzuholen, so hat man doch bishero nicht erfahren können, was derselbe für einen Weg müsse genommen haben."
Auch in Paris flüchtet man: "Ein gewisser Notarius dieser Stadt, hat eine Banqueroute von anderthalb Millionen gemacht; er ist gar entflüchtet, er solle doch aber in Kürtzen in Bildnüß aufgehencket werden."
So lange sie nur das Bildnüß aufhencken ... Aber all diese Meldungen könnten eigentlich auch von heute sein.

Aus Frankreich kommt ferner die Meldung, dass der Graf von Prade, Grand von Portugal, nach Frankreich geflüchtet ist, nachdem er drei Jahre lang gefangen gewesen war. "Die Ursach seiner Gefangenschaft rührete her von dem, dass der König von Portugal allen Grandes des Königreichs anbefohlen, ihre Wägen vor dem des Patriarchen von Lisbona still halten zu lassen; dieser junge Cavalier aber, wie er demselben einsmals begegnet, thate nichts anders, als denselben nur in Vorbeygehen zu grüßen."
Ja, die Jugend eben ... Kein Respekt dem Alter gegenüber. Ich frage mich, was der portugiesische König heutzutage sagen würde, wenn er mit einem öffentlichen Verkehrsmittel führe. Vielleicht würden drei Jahre Gefängnis ein abschreckendes Mittel sein, wenn die jungen Fahrgäste ruhig auf ihren Plätzen sitzenbleiben und die Alten stehen lassen?

Ein Lächeln ist es wohl wert, dass man nicht nur die "Ankunft deren hoh- und niederen Stands-Personen" in Wien vermeldet, sondern dass man auch angibt, durch welches Tor sie eingetroffen sind, beziehungsweise, wo sie logieren: "Rothen-Thurn, Hr. Graf Götz, komt aus Böheim, log. im Wilden-Mann." Man stelle sich das heutzutage vor.

Im letzten Teil der Zeitung kommt dann eine kaiserliche allgemeine Amnestie für den Aufruhr, der am 13. Juni 1721 in Mechelen (heute Belgien) geschehen war, da man ins Rathaus eingedrungen war und den Stadtrat 3 Stunden lang im Gefängnis eingesperrt gehalten hatte. Die Amnestie galt doch mit Ausnahme von 42 Personen. Sicher galt sie nicht diesem Mann: "Einer von diesen Aufwiegleren ist so vermessen gewesen, dass er einen Stadt-Secreterium, welcher dem Wuht dieses Zaumlosen und unbändigen Gesindels zu entgehen einen Weg gefunden, mit dem Messer in der Hand auf der Gassen zu verfolgen sich nicht gescheuet."

Das war es wohl, was mir beim schnellen Durchlesen hauptsächlich aufgefallen ist, abgesehen von dem netten Deutsch - von der Orthographie einmal nicht geredet, aber damals konnte man wenigstens noch einen Satz bauen, der nicht nur aus acht Wörtern in einem Hauptsatz bestand - ist es ergreifend zu bedenken, dass das vor 287 Jahren geschrieben worden ist!

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009



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