Völkerverbindende Musik

Ich habe heute durch Zufall im Internet eine Seite gefunden, auf der man ein englisches Wort eingeben kann und das wird dann auf einer Landkarte von Europa geographisch richtig in den meisten europäischen Sprachen angezeigt.
Das ist recht praktisch, wenn man Sprachen vergleichen will. Nehmen wir an, dass wir "cow" eingeben. Dann sehen wir, dass die germanischen Sprachen alle eine Form von "Kuh" verwenden, also ein "K" mit einem Vokal verbunden. Das gilt ja auch für das Englische, auch wenn die Schreibweise ein wenig anders ist.
Man sieht auch, dass die meisten romanischen Sprachen eine Form von "vaca" gebrauchen. Das italienische "mucca" ist zwar eine Ausnahme, aber ich denke, dass das "mu" einen onomatopoetischen, das heißt lautbildenden Einfluss hat. Die Kuh macht nun einmal "Muh", auch in Italien.
Auch die slawischen Sprachen haben wieder eine gemeinsame Form für die Kuh, nämlich "krava" in irgendeiner Form. Auch im russischen "KOPOBA" kann man die slawische Kuh noch erkennen. Man merkt aber sofort, dass Sprachen, die nicht zu der indoeuropäischen Sprachenfamilie gehören, ganz andere Worte haben.
So heißt sie auf Estnisch "lehm", auf Ungarisch "tehén" und auf Türkisch "inek". Auch Baskisch zeigt diese Seite an, dort heißt es "Behi" und auf Walisisch "buwch".

Das ist ja alles recht interessant und mag vielleicht ein wenig völkerverbindend sein (wenigstens innerhalb der verschiedenen Sprachenfamilien, aber mit Musik hat das nichts zu tun.

Jetzt spielte der Zufall eine Rolle. Es kommt zwar selten vor, aber manchmal setze ich mich in meinen Lehnstuhl und sehe mir auf YouTube ein Konzert an. So auch heute. Ich genoss das Jubiläumskonzert von Dana Winner, einer belgischen Sängerin, die ich bei meinem dortigen Aufenthalt "entdeckt" habe. Auch sie ist nahezu völkerverbindend, denn in diesem Konzert singt sie Lieder in vier verschiedenen Sprachen.
Das gab mir den Einfall. Wie heißt denn "Musik" in den Sprachen Europas? Und hier kam die Überraschung.
Nahezu alle indoeuropäischen Sprachen sagen "Musik" zur Musik. Die slawischen und romanischen Sprachen hängen meistens ein "a" an - aber man kann "muzyka" (Polnisch) oder "música (Spanisch) kaum mit einem anderen Wort verwechseln. Sogar das finnische "musikki" und das türkische "müzik" schließen sich an.
Etymologisch gesehen haben die indoeuropäischen Sprachen das Wort Musik aus dem Griechischen abgeleitet. Dort stammt es von "mousike (techne)" ab, also der (Kunst der) Musen.
Allerdings stand es dort für alle Künste der Musen, also auch zum Beispiel Geschichte und Theater und Astronomie. Da aber viele der neun Musen mit Gesang oder eben Musikinstrumenten in Verbindung gebracht werden, ist es eigentlich logisch, dass gerade unser Wort "Musik" die "Kunst der Musen" zusammenfasst. So ist Euterpe die Muse der Lyrik und des Flötenspiels, der Name der Melpomene bedeutet "die Singende", auch wenn die Tragödie ihrer Huld untersteht. Erato hat eine Leier als Attribut, auch wenn sie die Muse der Liebesdichtung ist. Und schließlich ist Polyhymnia, die Liederreiche, die Muse des Gesangs.
Aber es gibt auch Ausnahmen vom Wort Musik in den europäischen Sprachen. Interessanterweise findet man diese in Mitteleuropa. In Tschechien und Slowakien heißt die Musik "hudba", während Slowenen und Kroaten "glasba" sagen. Schließlich macht auch Isländisch eine Ausnahme. Dort heißt die Musik "tónlist", also eine Liste (Reihe) von Tönen. Das ist eine nationale Umschreibung eines Wortes, so wie wir auf Deutsch früher zum Telefon "Fernsprecher" gesagt haben.
Ich glaube nicht, dass man außer "Mama" und "Papa" viele Wörter finden kann, die so großflächig übereinstimmen. Und da muss die Musik doch "völkerverbindend" sein?

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2021

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