Ein Styver ist heute keinen Deut wert

Die Niederländische Ostindien-Kompanie (Vereenigde Oost-Indische Compagnie, kurz VOC) war - trotz Coca-Cola, Google, usw - möglicherweise die erfolgsreichste Gesellschaft bisher auf Erden. Mit dem Import von vor allen Dingen chinesichen Waren, meist Porzellan, brachte sie es zu einem Reichtum, der seither wohl nicht mehr erreicht wurde.
Sie wurde 1602 gegründet und schon vier Jahre später wurde die Amsterdamer Börse gegründet. Der Börsenhandel überhaupt war eine Erfindung der Niederländer, wenngleich die erste Börse schon 1531 im heute belgischen Brügge stand, gefolgt von der in Antwerpen.
Kein Wunder, denn auch diese beiden Städte war unerhört wichtig für den internationalen Handel. Es waren aber nicht nur Wertpapiere, die dort gehandelt wurden, sondern nicht zuletzt Wechsel, die garantierten, zu gewisser Zeit einen Betrag auszuzahlen, der nicht unbedingt an Personen geknüpft war, sondern an den Überbringer. Damit konnte man sich leicht Kredite verschaffen, um Firmen zu gründen, beziehungsweise als Teilhaber in Handelsgeschäfte einsteigen zu können.

Die VOC konnte sogar ihre eigenen Münzen schlagen, wie zum Beispiel hier - einen Deut
Dass sich die Zeiten sich seit dessen nicht sehr gewandelt haben, sieht man aus der Vermögensverteilung. Es gibt Schätzungen, die besagen, dass gegen Ende des 17. Jahrhunderts nur 0,1 Prozent (also einer von je tausend) knapp die Hälfte des gesamten Vermögens der Stadt Amsterdam besaß.
Auch politisch waren die spanischen Niederlande ein Zentrum der Macht. Kaiser Karl V wurde in Gent, im belgischen Flandern geboren und vereinte das Gebiet, in dem man Niederländisch sprach. Zwar machten sich die heutigen Niederlande ein gutes Jahrzehnt später aus religiösen Gründen aus der Vereinigung wieder los, was aber der öknomischen Stärke dieses Gebietes keinen Abbruch tat.
Die Münzeinheit war der Gulden, der ja bis zur Einführung des Euro noch seite Gültigkeit besaß. Ein Gulden wurde in 20 Stuiver unterteilt, die wiederum in 8 Duit wert waren. (Vergleiche das alte englische Münzsystem.) Anfangs des 19. Jahrhunderts, also viel früher als in England, ersetzte man die kleinen Münzen mit Cent, sodass 100 Cent einen Gulden ausmachten.

Kaiser Karl V
Obwohl der Stuiver und der Deut schon lange ausgestorben sind, leben beide in der Sprache weiter. Dass das im Niederländischen so ist, wundert nicht so sehr. Auch auf Deutsch bewahrt man den Groschen und auf Schwedisch das Öre, obwohl es das auch schon lange nicht mehr physisch, sondern nur mehr rechnerisch gibt.
Wir haben zum Beispiel heute noch die Redewendung "een duit in het zakje doen", was wörtlich übersetzt zu "einen Deut in das Säckchen tun" wird. Bedeutungsmäßig meint man, dass man einen kleinen Beitrag leistet. Durch ein anderes Beispiel mit Duits kann man heute noch einen Hochstapler bezeichnen: "hij heeft veel kak, maar weinig duiten". Wörtlich übersetzt ist das zwar nicht sehr fein, aber möglicherweise recht treffend: "er hat viel Kacke, aber wenige Duits".
Das Niederländische "ui" wird als "eu" oder "äu" ausgesprochen. Daher wurde der "duit" auf Deutsch ein "Deut". Im Ausdruck "keinen Deut wert sein - also gar nichts wert sein" spiegelt sich immer noch der Ursprung der kleinen Münze.
Aber auch in übertragener Form wird der Deut als Synonym für "wertlos" oder "gar nichts" verwendet. "Du bist keinen Deut besser als er" oder "das kann mich keinen Deut kümmern".
Nun ist es durchaus wahrscheinlich, dass der Duit über die Grenze ins benachbarte deutschsprachige Gebiet wanderte. In Österreich dagegen ist es eher wahrscheinlich, dass der Deut auf kaiserlichen Einfluss zurückzuführen ist. Wieder haben wir es mit Karl V zu tun. Er war "der Habsburger" seiner Zeit. Daher hinterließ auch das Niederländische seine Spuren am Hof in Wien.
In Schweden dagegen werden Doppelvokale einzeln ausgesprochen. Da das schwedische "y" klangmäßig zwischen "u" und "i" liegt (diesen Laut gibt es im Deutschen nicht), wurde das "ui" zwangsweise zum "y". So auch beim Stuiver, der zum Styver wurde. Die Bedeutung blieb allerdings gleich. "Det är inte ens en styver värt" heißt "das ist nicht einmal einen Stuiver wert". "Han betalade inte en styver för jobbet" - "er hat für die Arbeit keinen Stuiver bezahlt". Und so weiter ...

Ein Stuiver
Aber wieso eigentlich? Schweden hatte doch weder kaiserlichen noch nachbarschaftlichen Kontakt mit den Niederlanden. Hier dürfte vor allem wieder die VOC, die Ostindische Kompanie der Überbringer sein. Gerade in dieser Zeit war der Einfluss der Niederländer sehr stark. Das zeigt sich nicht zuletzt auch in anderen Lehnwörtern, meist aus der Seefahrt. Es wird auch behauptet, dass in Göteborg (wichtige Hafenstadt) die erste Versammlung der Stadtvollmächtigen mehr Niederländer als Schweden enthielt.

Aber was immer auch geschah, ist es klar, dass heute ein Stuiver keinen Deut mehr wert ist.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2021

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