Das fernöstliche Museum


Wenn man durch den Stadtteil Laken fährt, erwartet man vielleicht, die königliche Residenz zu sehen, oder die Begräbniskirche der Könige - aber plötzlich fährt man an einem hohen, roten Turm vorbei, der so gar nichts Belgisches an sich hat. Ein paar Meter weiter steht auf der anderen Straßenseite ein pagodenähnliches Haus; man könnte glauben durch eine Zeitmaschine oder ein sogenanntes Wurmloch in den fernen Osten versetzt worden zu sein.
Nun, ganz so utopisch ist es nicht, aber dort liegt das fernöstliche Museum von Brüssel, das passenderweise in diesen Gebäuden eingerichtet worden ist. Wie die Gebäude hierherkamen, ist eine andere Geschichte.

Die Gebäude wurden von König Leopold II in Auftrag gegeben, der im Jahr 1900 auf einer Weltausstellung in Paris die Idee bekam. Dort, in der Tour de Monde, gab es nämlich Bauwerke aus der ganzen Welt.

Diese Tour wollte er auch in seiner Hauptstadt realisieren - in Wirklichkeit war es außer den zwei fernöstlichen Gebäuden nur noch der Neptunbrunnen aus Bologna, der gebaut wurde. Der gehört allerdings nicht zum fernöstlichen Museum.
Der Turm wurde in Laken gebaut und mit den Zierelementen aus Yokohama versehen, die Leopold in Paris gekauft hatte. Der französische Architekt Alexandre Marcel war für das Projekt verantwortlich. Der Turm wurde 1905 eingeweiht. Der chinesische Teil des Museums wurde im Jahr 1910 fertig gestellt und alles dem Staat übergeben, wo seither die "Königlichen Museen für Kunst und Geschichte" den Komplex verwalten. Der chinesische Pavillon erhielt eine Außenverkleidung aus Shanghai.
Wenn man im dazu gehörenden Garten die Eintrittskarten löst, wird man zuerst zum japanischen Turm weitergeleitet. Man geht unter der Straße durch, wo diverse Informationen über frühere Weltausstellungen gezeigt werden. Auf der anderen Straßenseite kommt man zuerst zu einem Zugangspavillon, der aus Tokio stammt und der auch auf der Weltausstellung 1900 gezeigt wurde.
Schon die Schnitzereien an der Außenseite muten ziemlich fremdländisch an, aber wenn man dann die erste Treppe zum Turm hinaufgeht, ist der Eindruck einfach überwältigend.
Es ist aber nicht nur die Frontalansicht, sondern es sind vor allem die seitlichen Glasfenster, die den Besucher faszinieren. Es gefällt mir nicht unbedingt, aber es fasziniert, wie gesagt.
Natürlich sind es nur die ungewohnte Art der Bilddarstellung sowie der fremdländische Inhalt, die gewöhnungsbedürftig sind - vermutlich geht es Japanern ebenso, wenn es etwa um unsere Mosaike geht. Hier kommen ein paar Beispiele dieser Glasfenster.

Im Turm kann man nur ein Stockwerk hochsteigen, die Hoffnung auf eine schöne Aussicht, wird also zunichte gemacht. Im Inneren des Turmes und des Zugangspavillons wird Zierporzellan gezeigt, das hauptsächlich zwischen 1600 und 1750 für europäische Liebhaber angefertigt wurde. Erst Mitte des 19. Jhd. öffnete Japan seine Grenzen zum Westen, dann war es leichter, von dort Waren zu importieren.
Das führte in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu einem wahren Boom in Europa, weil fernöstliche Waren plötzlich voll im Trend lagen. Weitere Ausstellungsstücke (über zwölftausend) werden seit 2006 im Wirtschaftsgebäude des chinesischen Pavillons gezeigt.
Es (auf dem Bild links) liegt hinter dem Pavillon und ist von der Straße her nicht zu sehen. Vor dem Pavillon dagegen steht eine Art von chinesischem Lusthaus (Bild rechts).
Betritt man den Pavillon, ist die nächste Überraschung fällig. Wenn man von der Art der Verzierungen absieht, könnte dies genauso gern ein Saal eines europäischen Schlosses sein.
Hier werden vor allem Porzellangegenstände ausgestellt, die im 17. und 18. Jhd. für den europäischen Markt bestimmt waren und die von den verschiedenen Ostindischen Handelsgesellschaften zu uns gebracht wurden. Leider fehlt jede Art von Führer oder schriftlicher Dokumentation - der Besucher ist daher ganz auf die kleinen Tafeln angewiesen, die (im besten Fall) bei den einzelnen Exponaten stehen.
Die Kärtchen und Täfelchen mit den Erklärungen setzen außerdem voraus, dass man entweder Flämisch oder Französisch kann - die dritte offizielle Sprache Belgiens, Deutsch (ja, das ist Tatsache), wird negligiert. Trotzdem ist der Besuch ein Erlebnis, das man sich leisten sollte. Vier Euro für beide Gebäude sind nicht die Welt, auch ohne Information - und das Auge wird allein durch die Umgebung reichlich belohnt.

Ich bin leider kein Kenner von Porzellan - mir ist das Zeug viel zu zerbrechlich - aber nachdem es aus den königlichen Sammlungen kommt, nehme ich an, dass hier ein kleines Vermögen ausgestellt wird. Es gibt auch Teller, die auf Bestellung geliefert wurden und die ein Stadtwappen zeigen ("Meggelen" und "Loven" habe ich in Erinnerung), oder mit mehr oder weniger sinnigen Sprüchen verziert worden sind.
Aber es sind nicht nur Teller und Vasen, die hier zur Schau gestellt werden. Es gibt auch verschiedene Tierfiguren in fernöstlicher Ausführung, aber wieder fehlt mir genügend kultureller Hintergrund, um die Art zu bestimmen. Sind es Drachen? Hunde?
Oder sonst etwas? Ganz zu schweigen natürlich von einem eventuellen Symbolismus, mit dem die Figuren ausgestattet sein könnten, beziehungsweise selbst darstellen.
Man sollte seine Blicke aber nicht nur im Inneren des Pavillons umherschweifen lassen - auch ein Blick nach draußen kann durchaus empfehlenswert sein. Die Verzierungen auf den Säulen und die Ornamentik um die Fenster ist international genug, um sogar mich direkt anzusprechen.

(Auf dem linken Bild steht im Hintergrund übrigens der Neptunbrunnen, von dem eingangs die Rede war.)

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


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last update: 21.4.2009 by webmaster@werbeka.com