Die Basilika in Koekelberg

oder die Sacré-Cœur von Brüssel

Niemand soll der Domkirche in Brüssel die Ehre absprechen, aber wenn man ein Panorama der Stadt überblickt, fällt ein großer Kuppelbau in die Augen. Das Gebäude liegt im Bezirk von Koekelberg und wird daher im Volksmund "die Basilika in Koekelberg" genannt. Für Menschen, die des Niederländischen (oder besser Flamländischen) nicht mächtig sind, sei gesagt, dass das "oe" nicht als "ö", sondern als "u" ausgesprochen wird.
Offiziell aber heißt sie "Nationale Basiliek van het Heilig Hart" - oder, da man in Brüssel in letzter Zeit leider immer mehr Französisch spricht, "Basilique Nationale du Sacré-Cœur". Auf gut Deutsch würde man wohl Herz-Jesu Basilika sagen. Genug der Nomenklatur.
Die Sacré-Cœur von Paris war ein Vorbild beim Bau der Kirche. König Leopold II war ein großer Parisliebhaber und er wollte in seiner Hauptstadt eine Kirche mit demselben Namen. Allerdings bestellte er am 75. Jahrestag der Unabhängigkeit Belgiens (1905) - der Mode entsprechend - eine neugotische Kirche.
Man begann den Bau, aber es kamen Geldnöte und der Erste Weltkrieg dazwischen und die Arbeiten kamen zum Stillstand. 1920 erhielt der flämische Architekt Albert Van Huffel den Auftrag, neue Pläne zu erstellen, die unter anderem auch die Baukosten verringern sollten. Gott sei Dank, möchte man sagen ... Denn so wurde ein Werk erschaffen, das seinesgleichen sucht. Schon während der Bauzeit, 1952, wurde die Kirche vom Papst zur Basilika erhoben. Es gibt nur knappe 1500 Kirchen auf der Welt, die diese Bezeichnung haben - ein gutes Drittel davon steht jedoch allein in Italien.
Architekt Huffel passte sich der Zeit an und errichtete die Kirche im Art Deco-Stil, der in den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhundert gerade "in" war. So entstand das weltweit größte Art Deco-Gebäude. Aber nicht nur stilmäßig, auch größenmäßig sticht die Basilika hervor.
Es ist schwer, die Größe von Kirchen (soll die Fläche, das Volumen, das Fassungsvermögen oder sonst etwas gemessen werden?) festzustellen - aber man spricht davon, dass sie die fünftgrößte Kirche der Welt sei.
In der Tat sind die Maße imponierend. Das Hauptschiff misst - bei einer Außenlänge von 164 Metern - immerhin noch 141, das Querschiff 107 und die Kuppel ragt ganze 93 Meter in die Höhe. Die Kirche bietet Platz für 3500 Menschen gleichzeitig.

Wenn man die Kirche betritt, ist man aus mehreren Gründen erstaunt. Im Gegenteil zu "altehrwürdigen" Kirchen, die ihre Schätze schon jahrhundertelang gesammelt haben und oft sogar übertrieben ausgeschmückt sind, erscheint diese nahezu leer. Natürlich trägt auch das enorme Volumen dazu bei, aber es sieht alles ein bisschen "anders" aus.
Gleich beim Eintritt sieht man auf der einen Seite über einen langen Gang zu einem Seitenaltar, durch einen runden Torbogen vom Gang abgetrennt - und von der Decke hängen keine Kandelaber, sondern "gewöhnliche" Kugellampen.

Auch im großen Mittelschiff gibt es einen Altar auf der Seite, der jedoch nicht der Hauptaltar der Kirche ist. Letzterer steht mitten im Kirchenraum, sodass man von beiden Seiten die Zeremonien mitverfolgen kann.
Einige indische(?) Touristen befinden sich auch auf Sightseeing und benehmen sich ziemlich ausgelassen. Ich kann mir vorstellen, dass strenggläubige Menschen daran Anstoß nehmen können, sogar ich finde, dass der laute Tonfall und das noch lautere Lachen nicht notwendig sind. Aber dann denke ich daran, wie sich diverse meiner Reisegefährten manchmal in anderen Kulturen benommen haben ...
Im Hauptschiff gibt es nur die beiden Altäre, vor denen große Mengen Stühle stehen, die noch unterstreichen, wie leer die Kirche ist. Im Querschiff findet man Kapellen und administrative Einheiten, wovon sämtliche durch Glaswände abgeschlossen sind und damit Einblick auf die Räume dahinter und nicht zuletzt auf die Glasfenster geben. Die Glasfenster der gesamten Kirche sind besondere Aufmerksamkeit wert. Die ersten wurden 1937 eingesetzt, der Rest ist sozusagen mit der Kirche "mitgewachsen".
Hier folgen ein paar Beispiele aus dem Querschiff:
An die zehn Glaskünstler haben an den Fenstern mitgewirkt, daher sind sie stilmäßig sehr verschieden, deshalb aber nicht weniger eindrucksvoll.
Auch ihr Inhalt variiert natürlich. Während die Fenster in der Apsis die Verehrung und die Kommunion als Thema haben, wird im Mittelschiff das Leben Jesu gezeigt und in den Galerien die acht Seligkeiten, die in der Bergpredigt erwähnt werden (z.B. "Selig sind die armen im Geiste"). Hier im Bild links ein Beispiel aus dem Mittelschiff, das zeigt, wie Jesus Lazarus wieder zum Leben erweckt.
Um auf die Galerien zu kommen, die sich in gut zehn Meter Höhe befinden, muss man eine Kleinigkeit für den Eintritt bezahlen. Andererseits hat man dann auch freien Zugang zum Lift, der bis auf 52 Meter Höhe führt. Von dort hat man einen schönen Panoramaausblick über die Stadt.
Aber ich will nicht vorgreifen. Zunächst hat man von der Galerie aus einen herrlichen Überblick über das Innere der Kirche. Im Zentrum steht natürlich der Hauptaltar, dessen Altarstein aus hellem Onyx ist und aus Algerien herbeigeschafft wurde. Ganze fünf Tonnen wiegt das Stück.
Man kann fast die ganze Empore entlang gehen und wieder wird man von den gigantischen Ausmaßen überwältigt. Außerdem vermitteln die verschiedenen Blickwinkel immer wieder neue Eindrücke. Am kurzen Ende der Galerie gibt es eine Fotoausstellung über den Bau der Kirche.
Über den Wert moderner Malerei kann man selbstverständlich verschiedene Meinungen haben - die wenigen gemalten Bilder, die in der Kirche zu finden sind, sind durchgehend modern, seien es die Apostel, oder andere Bilder (was immer sie auch vorstellen sollen).
In der Kirche befinden sich auch zwei Museen, die allerdings sehr kurze Öffnungszeiten haben und niemals gleichzeitig zugängig sind. Das Museum für moderne religiöse Kunst ist Donnerstag, Freitag und Sonntag geöffnet, das Museum der Schwarzen Schwestern allerdings nur mittwochs - in beiden Fällen auch jeweils nur 2 Stunden am Tag.

Mit dem Lift gelangt man schließlich zur Aussichtsterrasse, die rund um die Kuppel führt und von wo aus man ganz Brüssel bewundern kann.

     

Am Weg zum Ausgang kommen wir noch an einer Serie Kreuzweggravuren vorbei. Zwischen den beiden letzten Stationen hängt ein Kreuz, das die Inschrift "Jesus von Nazareth, König der Juden" in Hebräisch, Griechisch und Latein trägt. Warum man allerdings auch die griechische und lateinische Inschrift von rechts nach links lesen muss, ist mir nicht ganz klar. Vielleicht ist das auch modern?
Modern oder nicht - der Besuch in der Basilika am Koekelberg ist auf jeden Fall zu empfehlen.

© Bernhard Kauntz, Wolvertem 2011


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