Der Blumenteppich am Großen Markt in Brüssel


Der 15. August ist in Belgien und vielen anderen katholischen Ländern ein Feiertag. Da ist nämlich Mariae Himmelfahrt. An diesem Tag und einige Tage darum herum, gibt es am Großen Markt in Brüssel den Blumenteppich zu sehen. Zum ersten Mal geschah dieses Schauspiel 1971 und seit 1986 wird es regelmäßig im Zweijahresrhythmus durchgeführt. Da wird der ganze Platz des Großen Marktes mit Blumen, und zwar Begonien, gefüllt. Die Begonie hat übrigens ihren Namen nach einem französischen Pflanzensammler aus dem 17. Jhd., Michel Bégon, oder "le Grand Bégon", wenn Sie wollen. Und wenn wir schon beim Französischen sind, dann gehört auch dazu, dass der "Grote Markt" in Brüssel vielleicht unter "Grand Place" eher bekannt ist.
Aber zurück zu den Blumen: es werden nur ein paar Meter auf jeder Seite des Großen Marktes frei gelassen, damit die Leute das Werk auch betrachten können. Außerdem darf man am Feiertag um 3 Euro auch ins Rathaus hinein. Da drinnen darf man zwar nicht fotografieren, aber man kommt in den ersten Stock hinauf, wo man auf dem Balkon sehr wohl fotografieren darf und außerdem eine Panoramaansicht des Blumenkunstwerks genießen kann.
Das war etwa das, was ich von dem Spektakel vorher wusste. Trotzdem wurden meine Vorstellungen davon weit übertroffen - schon, als wir uns dem Großen Markt näherten. Je näher wir kamen, desto mehr Leute waren um uns. Auf den Großen Markt hinaus ging es bestenfalls immer um einen Schritt weiter. Vom Blumenteppich war keine Spur zu sehen, denn die Menschen standen in mindestens fünf Reihen und warteten darauf, dass sich die Vordermänner endlich satt gesehen hatten.

In den ringsum liegenden Häusern standen ebenfalls Leute in den Fenstern und bewunderten die Farbenpracht.
Endlich sah ich zuerst lückenhaft, aber dann doch den ganzen Blumenteppich, als ich selbst zur ersten Reihe vorgedrungen war. Allerdings war es schwierig, aus dieser Perspektive ein größeres Motiv zu erkennen. Freilich konnte man die Ornamente bewundern, die sich am nächsten befanden - aber von Überblick war keine Rede. Ich hatte mir außerdem vorgestellt, dass die Blumen mehr oder weniger angepflanzt sein würden. Das war aber nicht der Fall, sondern es waren nur die Blumenköpfe, die man abgeschnitten und auf dem Boden auf etwas Torfähnliches gelegt hatte.
Außerdem waren sie plattgewalzt worden, vermutlich um die Wirkung nicht durch irgendwelche hochragenden Blätter oder Schatten davon zu zerstören.


Hier steht die seelische Stärke (Fortitutia) zwischen der Mäßigkeit (Temperantia) links und der Umsichtigkeit (Prudentia) rechts.
Nun hatten wir beschlossen, auch dem gegenüberliegenden Rathaus einen Besuch abzustatten. Deshalb arbeiteten wir uns durch die Menschenmenge - wobei "arbeiten" nahezu wörtlich als physische Arbeit zu verstehen ist - auf die andere Seite des Großen Marktes. Dort gaben wir unseren Vorsatz fast auf, denn die Warteschlangen standen nicht nur auf die Straße hinaus, sondern auch hier noch noch gutes Stück weiter. Aber wenn man schon hier ist ...
Und wenn man, wie ich, ein Faible für Statuen hat, dann hat man außerdem in der Wartezeit Muße genug um ein paar Statuen zu knipsen, von den 294, die das Rathaus verzieren.
Die Schlange stand dann auch noch über den Innenhof und über die Stiege hinauf bis zum Ausgang am Balkon - aber es hatte sich gelohnt. Hier hatte man endlich den Überblick, den ich unten vermisste. Und hier hatte man auch nicht die plattgewalzten Blumen vor Augen, sondern das ganze Motiv vor sich liegen.
Es ist so groß, dass man auch von oben nicht alles auf einmal fotografieren kann.
Man hat in jedem Jahr ein besonderes Motiv für den Blumenteppich ausgewählt. 1980 war es das 150jährige Bestehen von Belgien, 1990 das Motiv "Mozart", im Jahr 2000 "Brüsseler Spitzen" und 2006, beim letzten Mal, war das Mittelalter Thema des Blumensees. In diesem Jahr hatte man "Savonnerie" gewählt.


Hier ist die eine Hälfte des Blumenteppichs ...

Das Wort Savonnerie bedeutet eigentlich Seifenfabrik und hat eine eigene Geschichte. Der französische König Ludwig XIII gründete nämlich 1627 eine Wandteppichmanufaktur an dem Ort, wo früher eine Seifenfabrik angesiedelt war. Die Herstellung solcher war nämlich eine Ehrensache für die Franzosen - Heinrich IV hatte 1601 sogar die Einfuhr von Wandteppichen verboten.

... und hier die andere Hälfte, vor einem imponierenden Hintergrund
Abschließend noch ein paar Fakten über die Begonien und den Blumenteppich: Sie wurden zuerst um 1860 in Gent gezüchtet, heute produziert Belgien etwa 60 Millionen, wovon die meisten auf Export gehen. Die Blumen wachsen in vielen Farben, von dunkelrot über lachsrosa bis weiß, mit kupferroten, gelben und anderen Zwischentönen. Für einen Quadratmeter des Blumenteppichs braucht man ungefähr 300 Blumen - der Teppich auf dem Großen Markt ist 1800 Quadratmeter groß. Das sind 5,4 Millionen Blumen.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2008


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