Die Katharinenkirche in Brüssel


Nicht weit von der Katharinenkirche befand sich die frühere Stadtmauer von Brüssel. Eine kleine Kapelle, die schon damals Katharina geweiht gewesen war, war seit Beginn des 13. Jhd. an diese Mauer angelehnt gewesen. In den folgenden zwei Jahrunderten wurde statt der Kapelle eine Kirche gebaut, die ihrerseits 1629 umgebaut und vergrößert wurde. Der heute freistehende, barocke Turm, an dem man 20 Jahre lang gebaut hatte, gehörte ursprünglich zu dieser Kirche.
Die heutige Kirche wurde 1853 vom Baumeister Joseph Poelaert geplant und 1854 wurde der Grundstein gelegt. 1858 wäre es beinahe um die Kirche geschehen gewesen; die Stadtväter hatten nämlich vor, die Kirche umzuwidmen und in die Börse der Stadt zu verwandeln. 1861 wurde jedoch wieder weiter gebaut, jetzt unter Architekt Wynand Janssens. 1887 wurde die neue Kirche fertig. Die alte Kirche nebenan, die 1850 bei einer Überschwemmung beschädigt worden war, blieb jedoch bis 1893 erhalten. Eine Zeit lang standen also die beiden Katharinenkirchen nebeneinander.
Die Pläne Poelaerts waren teilweise von der Saint-Eustache-Kirche in Paris inspiriert, aber die Genialität dieses Werkes ist das Gleichgewicht von gotischen Elementen, z.B. die großen Rosettenfenster, und diversen renaissanceinspirierten Details, wie die korinthischen Säulen, die Rundbögen oder der Grundriss an sich. Auch die Aufteilung des Chorraums durch eine Mauer, die durch einen Bogen zu einem dahinterliegenden Fenster führt, ist äußerst gut konzipiert.

Katharina von Alexandria wurde zum ersten Mal 840 erwähnt. In vielen ihrer Eigenschaften und am Schicksal erkennt man aber die heidnische Gelehrte Hypatia, die 415 von Cyrill von Alexandria getötet wurde. Die Legende sagt, dass Katharina die Tochter des Königs Costus von Cypern gewesen sein soll. Eigentlich war sie eine stolze, hochmütige Frau, auch wenn ihr Schönheit, Bildung und Reichtum nachgesagt wurden. Sie wies alle Freier ab, sogar den Sohn des Kaisers, weil sie ihr in diesen Eigenschaften nachstanden.

Ein Einsiedler machte sie auf Jesus Christus als möglichen Gatten aufmerksam. Sie ließ sich taufen und hatte eine Vision, in der ihr das Jesuskind den Vermählungsring an den Finger steckte. (Ich glaube, dass sie eher Angst vor Männern hatte - daher auch Christus als Kind. Ihren Verstand benutzte sie später, um Männer zu demütigen.)
Der römische Kaiser Maxentius verlangte von ihr ein heidnisches Opfer, was sie aber verwehrte. Sie wollte ihre Argumente in einer Diskussion vorlegen. Da ließ der Kaiser fünfzig Philosophen kommen, die aber alle von Katharina überzeugt wurden und sich taufen ließen. Darüber war der Kaiser wenig erfreut und ließ alle Philosophen verbrennen. Katharina aber bot sich der Kaiser selbst als Gatte an. Natürlich lehnte sie das ab und wurde dafür ins Gefängnis geworfen. Dort bekehrte sie die Wachmannschaft.
Dann sollte sie gerädert und gevierteilt werden, aber die Räder zerbrachen. Dieses Wunder bekehrte die Garde des Kaisers und sogar dessen Gattin. Der Kaiser ließ nun seine Garde töten und Katharina die Brüste abreißen und sie enthaupten. Aber statt Blut strömte Milch aus ihrem Körper ...
Das Rad ist natürlich eines der Attribute, an dem man Katharina erkennen kann. Ein Buch (Verstand), ein Schwert (Enthauptung) und eine Krone (Braut Christi?) sind andere. Der Gedenktag ist der 25. November, außer in der armenischen Kirche, wo sie am 2. Oktober gefeiert wird. Sie ist die Patronin der Mädchen, Jungfrauen und Nonnen, aber auch der Hochschulen und Bibliotheken, der Philosophen, aller Gelehrten und aller Berufe, die mit Rädern zu tun haben.

Der Ursprung der Kanzel ist nicht belegt. Sie stand schon in der alten Kirche, soll aber ursprünglich aus der Kirche St. Rombaut in Mechelen stammen.

Der Hochaltar aus dem Jahr 1877 aus Marmor und weißen Steinen wurde von einem Künstler aus Löwen, Gilles Goyers und seinen Söhnen Pierre und Henri angefertigt. Diese Familie zeichnete auch verantwortlich für den Bau der Chorstühle, der Kommunionsbänke und der Beichtstühle.

Die Kirche ist auch für die vielen Gemälde bekannt, die hier hängen. Die meisten davon stammen ebenfalls noch aus der alten Kirche. Sie wurden hauptsächlich im 17. Jhd. angefertigt, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass damals die alte Kirche ausgebaut wurde.
Über den Altären in den Seitenkapellen hängt je ein Werk von Corneille Schut (Die Erscheinung der Heiligen Anna bei den Schiffbrüchigen) und von Gaspard de Crayer (Empfang der Heiligen Katharina im Himmel). Theodore van Loon malte "die Geburt Christi", ein Bild, das sich über dem Eingangsportal und unter der Orgelempore befindet. Es gibt aber noch etliche andere.


Unter den Statuen finden wir sowohl die Hl. Barbara, wie auch die Hl. Therese von Lisieux, wobei Letztere von 1873 - 1897 in Frankreich gelebt hat und erst 1925 heilig gesprochen wurde. Seit ihrem 16. Lebensjahr war sie eine Nonne bei den Unbeschuhten Karmelitinnen. Sie schrieb eine Selbstbiographie, die zunächst (in zensierter Form) als "Geschichte einer Seele" herausgegeben wurde, 1956 aber vollständig als "Selbstbiographische Schriften" erschien. Diese Werke, in mehr als 50 Sprachen übersetzt, gehören zu den meistgelesenen geistlichen Autobiographien. Außerdem sind eine Menge Briefe, 54 Gedichte, 21 Gebete und nicht zuletzt 8 Theaterstücke von ihr erhalten. Ihr Attribut sind Rosen, nach ihrem eigenen Ausspruch: "Nach meinem Tod will ich es Rosen regnen lassen". "Therese" bedeutet übrigens "von der Insel Thera stammend". Die griechische Insel Thera heißt heute Santorin.

Außerdem gibt es auch das Abbild der "schwarzen Madonna", das eine eigene Geschichte hat. Die Statue stammt aus dem 15. Jhd. und ist in einer Hausnische am Torfkai gestanden (der heutige Name ist "Schwarze-Madonnen-Straße"), als sie in einer Nacht im November 1744 von Matrosen ins Wasser geworfen wurde. Man fand sie aber - auf einem Stück Torf treibend - wieder. Seit 1825 steht sie in der Katharinenkirche.

Bevor wir die Kirche verlassen, gehen wir rechts vom Eingang an einer Abteilung der orthodoxen Kirche vorbei. Die Ikonenwand ist vielleicht ungewohnt, aber nichts desto weniger künstlerisch ebenso interessant wie die römisch-katholischen Kunstwerke. Außerdem freut es mich, dass man auch hier, über die Glaubensgemeinschaften hinweg, einen Weg des Zusammenlebens gefunden hat.

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2009


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