Die Kathedrale von Peterborough


Peterborough gehört nicht zu den bekanntesten und auch nicht zu den interessantesten Städten Englands. Dennoch hat die Stadt - eine Eisenbahnstunde von London entfernt - eine der großen Sehenswürdigkeiten auf der Insel, nämlich die Kathedrale. Sie ist nicht nur imposant, sie hat auch eine uralte Geschichte.
Schon im Jahr 655 wurde hier eine erste Abtei erbaut. Petersborough hieß damals Medeshamstede und der erste Abt der Abtei war Saxulf. Gute 200 Jahre später (870) wurden Kirche und Kloster von den Wikingern zerstört. An dieses Ereignis erinnert der Hedda Stein. Er wird heute im östlichen Teil der Kirche gezeigt.
Die Überlieferung besagt, dass der Bruder des Anführers der angreifenden Wikinger schon beim ersten Angriff gefallen war und dass dieser als Rache alle Mönche ermorden ließ. Sie wurden dann alle im selben Grab begraben und als Kennzeichen wurde ein behauener Stein aus der Kirche über das Grab gelegt. Der amtierende Abt hieß zu dieser Zeit Hedda, daher der Name. Das bedeutet, dass dieser Stein noch aus der allerersten Kirche stammt, also schon vor mehr als 1100 Jahren erschaffen wurde. Die Figuren sollen Christus, Maria und einige Apostel darstellen.
Genau hundert Jahre später befand sich zum zweiten Mal eine Abtei an diesem Platz, diesmal von Benediktinern gegründet. Der vorletzte sächsische Abt (vor der Eroberung durch die Normannen im Jahr 1066) hieß Leofric. Er war ein Neffe der nicht unbekannten Lady Godiva.
Auch der zweiten Klosterkirche war kein langes Leben beschert. Im Jahr 1116 wurde sie bei einem Brand zerstört. Im dritten Anlauf (1118) entstanden die Anfänge der heutigen Kirche unter Abt John de Sais. Es dauerte 120 Jahre, bevor das äußere Prunkstück, die Westfront, fertig war und die Kirche geweiht wurde.
Um 1500 wurde der östliche Teil der Kirche ausgebaut. Hier ist besonders das schöne Fächergewölbe auffallend. Im 16. Jhd. erhielt die Kirche ihre erste Orgel.
Unter Heinrich VIII kam dann (1533) die Trennung von der römisch-katholischen Kirche und die Anglikanische Kirche wurde ausgerufen. Sechs Jahre später wurden alle Klöster in England aufgelöst und nach weiteren zwei Jahren wurde die Kirche von Heinrich VIII zur Kathedrale ernannt.
1643, ein Jahr nach Beginn des Bürgerkrieges in Großbritannien, zerstörten Soldaten unter Oliver Cromwells Führung alle "römisch-katholischen" Verzierungen an der Kirche. Auch die Orgel war diesem Vandalismus ausgesetzt. Wieder einmal äußerte sich der Krieg als Kulturfeind ersten Ranges.
Gleich am Anfang unseres Jahrhunderts (2001) wurde die Kirche von einer neuen Katastrophe heimgesucht, als ein Brand ausbrach und Schaden in Millionenhöhe anrichtete. Die äußeren Schäden davon sind jedoch für den Besucher nicht mehr sichtbar.
Die Kathedrale ist heute der Sitz des Bischofs von Peterborough, dem insgesamt 382 Kirchen in Northhamptonshire und Rutland unterstehen. Sie ist den Aposteln Peter, Paul und Andreas geweiht.

Beim Eintritt werde ich positiv überrascht. Man darf fotografieren!
Wohl muss man einen Obulus bezahlen - ich glaube, es waren zwei Euro - aber das mache ich gern, weil ich dann in Ruhe die Motive aussuchen und sogar das Blitzlicht verwenden kann. Ein Verbot des Fotografierens ist an öffentlichen Stellen ohnehin lächerlich. Erstens geht es um allgemeines Kulturgut und kein Copyright kann verletzt werden. Und zweitens weil jeder seine Fotos sowieso macht - nur muss es dann eben ohne Blitz und versteckt geschehen.
Ein großes Lob der einsichtsvollen Verwaltung, die auf diese Art wenigstens noch ein paar Groschen verdient!

Das Fotografieren ist allerdings nicht die einzige Überraschung, die beim Eintritt wartet. Der enorme Lichteinfall durch die Seitenfenster und die enorme Länge des Mittelschiffes stechen direkt ins Auge.




Der hölzerne Plafond im Hauptschiff stammt noch aus dem 13. Jhd. Seine Bemalung mit Aposteln, Heiligen und Kirchenvätern ist nicht nur unik, sondern die einzige Holzdecke aus dieser Zeit, die in England heute noch bewahrt ist.

Noch etwas, das als gefällig auffällt, ist die Fülle an Information, die in verschiedenen Sprachen in der Kirche aufliegt. Zum Beispiel ein gefaltetes Blatt in A4-Größe, das sowohl die Geschichte der Kirche, wie auch deren Sehenswürdigkeiten in Stichworten anführt. Ich persönlich kaufe ohnehin überall einen umfangreicheren Guide, den ich für meine Researcharbeiten benötige, aber für die meisten Besucher ist die Information in dem Faltblatt völlig ausreichend.
Die erste Sehenswürdigkeit der Kirche, die angeführt wird, ist der Taufstein. Das Marmorbecken, das gleich beim Eingang der Kirche steht, stammt aus dem 13. Jahrhundert. Man begründet die Platzierung damit, dass die Taufe eine der ersten Dinge in einem christlichen Leben ist.
Bevor wir weiter in die Kirche hineingehen, drehen wir uns um und sehen an der Westwand das Bildnis von Old Scarlett. Der Mann war Totengräber im 16. Jhd. und er erreichte das stolze Alter von 98 Jahren, bevor ihm selbst im Jahr 1594 sein Grab geschaufelt wurde.
Er erlangte seine Berühmtheit dadurch, dass er in der Kirche zwei Königinnen beisetzte. Zu Letzteren kommen wir später. Zunächst will ich Ihnen nicht die gereimte Beschriftung des Bildes vorenthalten, die auch sprachlich gesehen interessant ist:

You see Old Scarletts picture stand on hie
But at your feete there doth his body lye
His gravestone doth his age and death time show
His office by theis tokens you may know
Second to none for strength and sturdye limm
A scarbabe mighty voice with visage grim
Hee had interd two queenes within this place
And this townes house holders in his lives space
Twice over. But at length his one turne came
What hee for others did for him the same
Was done. No doubt his soule doth live for aye
In heaven. Though here his body clad in clay.

Auffallend ist auch die Zusammenschreibung von T und H, bzw. dass im ersten "THERE" das H nur aus dem Querstrich zwischen den Längsstrichen von TE besteht.

Und jetzt zur ersten, hier begrabenen Königin:
Das war Katherina von Aragon, die erste Gemahlin von Heinrich VIII. Ihr Leben war wahrlich nicht ohne Schicksalsschläge - die Anglikanische Kirche entstand ja, weil der Papst nicht in die Scheidung einwilligte - aber sie wurde wenigstens nicht geköpft ...

Die Gedenktafel rechts spendeten ihr die Bürger von Peterborough zum Gedenken an ihrem 450. Todestag.
"A Queen, cherished by the English people, for her loyalty, piety, courage and compassion" - so lautet die Inschrift. "Humble and Loyale" war ihr Lebensmotto.
Die Tochter von Katharina und Heinrich VIII wurde als Maria I Königin von England. Sie ist als "Bloody Mary" in die Geschichte eingegangen.

Auch die zweite Königin, die hier begraben wurde, hatte kein leichtes Schicksal. Es war Maria Stuart, Königin von Frankreich und Schottland. Sie wurde mit Franz II von Frankreich verheiratet (als beide 15 waren), wurde allerdings schon mit 17 Jahren Witwe.

Danach wurde ihr das Recht, auch Königin von England zu werden (worauf sie legitimen Anspruch hatte) von Elisabeth I verwehrt, die sie schließlich auch im Jahr 1587 hinrichten ließ. Sie wurde in dieser Kathedrale beigesetzt, allerdings wurde ihr Sarg 1612 nach London in die Westminster-Abtei überführt. Ihr einstiger Ruheplatz ist aber heute noch in der Kirche bezeichnet - an der genau gegenüber liegenden Seite des Mittelschiffes. Nicht unerwähnt soll auch das Alter von Old Scarlett bleiben, als er Maria Stuart beisetzte. Er war damals schon 91 Jahre alt!

Die Königinnen sind jedoch nicht die Einzigen, die in der Kirche begraben sind. Es gibt hier auch mehr oder weniger bekannte Leute, die unter einfachen Platten im Boden liegen, sowie auch solche, die ein kostspieliges Grabmal bekommen haben. Auf dem Bild rechts sehen wir die letzte Ruhestatt von einem lokalen Thomas Deacon und seiner Frau Mary, die für ihre Wohltätigkeit bekannt waren.

Die Deacons lebten im 18. Jahrhundert, aber es gibt auch "moderne" Tote, denen ein Andenken in der Kirche gewidmet ist. So ist zum Beispiel eine Tafel von der British Astronomical Association zur Erinnerung an George Eric Deacon Alcock angebracht worden, als der Amateurastronom, Naturforscher und Lehrer im Jahr 2000 verstarb.

Zurück beim Querschiff der Kirche, heben wir den Blick zum 44 Meter hohen Mittelturm. Auch hier spendet die Lanterne viel Licht, sodass man die Holzschnitzereien am Dach gut sehen kann. Dieser Turm wurde 1882 abgetragen, weil er unsicher geworden war. Er wurde aber im Originalstil wieder aufgebaut, nachdem man die Fundamente verstärkt hatte.
Im südlichen Querschiff finden wir die St. Oswald-Kapelle, die mit einer Legende verbunden ist. St. Oswald war König von Northumbria zwischen 634 und 642. Er lebte im Exil, weil ihm nach dem Tod seines Vaters das Königreich gestohlen worden war.

634 kam er aber zurück und eroberte das Königreich im Zeichen des Kreuzes (und mit Hilfe seiner Soldaten, nehme ich an). Aber er soll den Christen auch sonst wohlgesinnt gewesen sein. Nach einem Osterfest mit seinen Freunden ließ er die Reste und auch das Tafelsilber an die Armen verteilen, die einen strengen Winter hinter sich hatten. Bischof Aidan segnete ihn ob seiner Großzügigkeit und sprach folgende Worte: "Möge der Arm, der so wohltätig ist, doch nie vergehen."
In einer Schlacht im Jahr 642 verlor Oswald das Leben, aber sein Arm wurde nach Bamburgh (in Northumberland) zurückgebracht, wo er nicht verweste. Um das Jahr 1000 stahl ein Mönch den Arm (darf ein Mönch stehlen?) und brachte ihn seinem Abt, der sehr viel von Reliquien hielt. Der Arm von St. Oswald war dann das wichtigste Reliquium in Peterborough, sodass man heute in der Kapelle noch den Wachtturm sieht, von wo aus die Mönche den Arm bewachten. Als die Abtei 1539 aufgelöst wurde, war der Arm auf einmal verschwunden - und bis heute weiß niemand, was mit ihm geschehen ist.
Im nördlichen Querschiff ist die Schatzkammer der Kirche untergebracht, wo eine Sammlung von Kirchensilber, Gewändern, etc. bewundert werden kann. Aber auch die Querschiffe an sich, mit ihren dreistöckigen Glasfenstern sind eine prächtige Ansicht.
Glasfenster, übrigens: Die Fenster an der Ostseite der Kirche sind mit den originalen Bruchstücken der ursprünglichen, mittelalterlichen Glasfenster erschaffen, die von Oliver Cromwells Meute zerschlagen worden waren.

Der Hochaltar ist auch sehenswert, oder besser gesagt der Altaraufbau. Er besteht aus vier Säulen, hinter denen sich weder ein Altarbild noch sonst etwas befindet, sondern der Blick auf das dahinterliegenden Glasfenster liegt völlig frei. Die Säulen tragen auch einen Aufsatz, der im unteren Teil halbkreisförmig ausgeschnitten ist, sodass die obere Rundung des Glasfensters auch zur Gänze zur Geltung kommt. Das ist, meiner Ansicht nach, eine wunderbare und originelle Lösung.

Das Chorgestühl stammt aus dem späten 19. Jahrhundert. Die geschnitzten Figuren zeigen diverse Personen, die mit der Geschichte der Kirche zu tun haben. Die Platzierung der Orgel über dem Chorgestühl, in der Seitenwand des Hauptschiffes, ist auch eine nette Lösung. Die Orgel wurde 1894 gebaut, seither aber mehrmals restauriert - nicht zuletzt nach dem Brand 2001. Vier Jahre später wurde sie vollrestauriert wieder an ihren Platz gesetzt.
Schließlich wenden wir uns dem dominierenden Kreuz im Mittelschiff zu. Es wurde 1975 gestiftet, vom damaligen Kirchenarchitekten, George Pace, entworfen und die Figur, aus vergoldetem Aluminium von Frank Roper erschaffen. Die lateinische Inschrift lautet: "Stat crux, dum volvitur orbis", was in etwa bedeutet: "Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht".



Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2011




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