Stonehenge


Wenn man mit dem Auto von der A303 auf die A344 abbiegt, bekommt man den ersten Anblick von den steinernen Gebilden von Stonehenge. Majestätisch erheben sie sich auf dem ein wenig höher gelegenen Gelände, wo sie schon Jahrtausende zugebracht haben. Eben diese Jahrtausende machen es wert, ein paar Stunden zu opfern, um dorthin zu kommen, wenn man in der Nähe ist. Die Steine haben nicht die Anmut des Parthenon in Athen, im Gegenteil, sie sind ein simples, aber mächtiges Monument. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ist der Eindruck überwältigend. Man darf nicht vergessen, dass Stonehenge ungefähr 2000 Jahre älter ist als die Akropolis. Das ist, im Vergleich, etwa so lange her, als wir unsere Zeitrechnung haben.
Was ist dann, so gesehen, die größere Leistung? Ich kann mich nicht entscheiden.
An einem gewöhnlichen, etwas regnerischen Donnerstag im August ist, trotz der vielen Autos, noch genug Platz auf dem Parkplatz. Vermutlich ist er aber nicht ausreichend zur Sonnenwende, wenn zu der gewöhnlichen Sehenswürdigkeit auch noch der astronomische Teil der Anlage gesehen werden kann und die Mystik des Platzes außerdem dazu beiträgt.
Auf dem Bild rechts sieht man im Hintergrund auch ein paar der Hügelgräber, die in der Umgebung von Stonehenge ziemlich zahlreich zu finden sind.
Vom Parkplatz geht es zum Servicecenter, wo es die Tickets gibt, Audiogeräte verliehen und Souvenirs verkauft werden. Dann geht es durch einen Tunnel - unter der A344 durch - in dem Wandmalereien anzeigen, wie man sich vorstellt, dass die Steine aufgestellt wurden, beziehungsweise, wie die Anlage möglicherweise ausgesehen hat, als sie fertig war.
Wieder an der Oberfläche geht es zu einem Steg, der über den Erdwall und den Graben führt - zwei der frühesten Merkmale dieser Stätte. Beide werden mit etwa 3000 v. Chr. datiert. Knapp außerhalb der Einfriedung mit den ursprünglichen Trilithen liegt ein Kreis von 56 Löchern, den Aubrey-Löchern.
Sie sind nach John Aubrey benannt, der schon im 17. Jahrhundert die ersten Aufzeichnungen über Stonehenge machte. Vermutlich entstanden die Löcher als Halt für die ersten Holzpfähle, die vor den Steinen den Tempel umgrenzten. Von ihnen ist natürlich jede Spur inzwischen verwittert.
Es gibt zwei Arten von Steinen in Stonehenge, teils die großen Sarsen-Steine, die bis zu vierzig Tonnen wiegen, teils die kleineren Blausteine, deren größte etwa ein Gewicht von fünf Tonnen haben. Sie stehen im Inneren des Heiligtums. Erstere musste man vermutlich mindestens dreißig Kilometer transportieren. Man glaubt, dass es zweihundert Menschen mit Hilfe von Schlitten und Rollen in zwölf Tagen geschafft hatten, einen Stein zu transportieren. Die Blausteine wiegen zwar viel weniger, mussten aber etwa zweihundertvierzig Kilometer Weg zurücklegen.
Man hat durch ihre Zusammensetzung erwiesen, dass sie aus den Presli-Bergen in Wales stammen. Vermutlich wurden sie aber über den größten Teil der Strecke auf dem Wasserweg geführt, und zwar über den Bristol-Kanal, der sich zwischen Wales und Cornwall erstreckt.
Die Tragsteine haben an ihrem oberen Ende Zapfen, die in die ausgehöhlten Gruben der Decksteine passen. Die Decksteine untereinander haben außerdem ein Nut-Feder-Verbindung. Im Bild rechts sieht man deutlich einen solchen Zapfen auf dem zweiten Stein von links.
Ursprünglich - falls Stonehenge jemals fertig gebaut wurde - sollten dreißig Tragsteine den Kreis bilden. Heute stehen dort siebzehn. Man glaubt auch, dass die Blausteine die Anlage umgrenzten, bevor die großen Sarsen-Steine aufgestellt wurden. Man vermutet, dass sie von einem anderen Heiligtum, das in Wales stand, geholt wurden. Liegt dann nicht die Vermutung nahe, dass es sich bei den ersten Erbauern der Steine um Auswanderer aus Wales handelt?
Die Steine in der Mitte des Heiligtums sind besser behauen, sodass sie fast die Form eines gleichmäßigen Rechtecks haben. Die fünf ursprünglichen Trilithen waren in der Form eines Hufeisens aufgestellt worden. Auch die kleineren Blausteine standen in geometrischen Formen. Allerdings wurden diese Steine im Laufe der Zeit mehrmals umgestellt, sodass man die ursprüngliche Form nur mehr erraten kann. Leider darf man das Innere heute nicht mehr betreten.
Daher ist es schwierig, die Formationen im Inneren der Einrahmung im Bild zu zeigen. Dieses Verbot verdanken wir all den "Künstlern" unserer Zeit, die glaubten, ein fünftausend Jahre altes Kunstwerk mit unter anderem ihren Initialen "verschönern" zu müssen - entweder mit Hilfe von Farbsprays oder sogar mit Hammer und Meißel!!!
Das Graffiti ist heute zwar schon weggescheuert, aber eine Flechte hat sich darauf ausgebreitet, die dem Stein die gelbe Farbe verleiht (Bild rechts). Die Steine in Stonehenge sind übrigens von vielen, für die Gegend eher untypischen Flechten bewachsen.
Die am besten erhaltene Sektion besteht aus vier Trag- und drei Decksteinen, im Bild rechts, an der Nordostseite des Tempels. Es gibt noch weitere Steine innerhalb der Anlage von Stonehenge, die erwähnenswert sind - den Opferstein, zum Beispiel, der seinen Namen völlig zu Unrecht trägt. Es ist ein gestürzter Tragstein, der mit Gruben übersät ist. Das Regenwasser bleibt in diesen stehen, reagiert mit dem Eisen des Sarsen-Steines und färbt sich rot. Das hat natürlich die Phantasie angeregt ... Der Opferstein befindet sich beim alten "Haupteingang" zum Tempel.
Von dort führt die sogenannte Avenue weg, die sich bis zum Ufer des Flusses Avon erstreckt, auch wenn sie heute auf den umliegenden Feldern nicht mehr zu erkennen ist. Es gab auch vier Stationssteine (zwei sieht man heute noch), die ein genaues Rechteck bildeten, dessen Mittelpunkt genau die Mitte des Heiligtums bezeichnet. Vielleicht brauchte man sie für Berechnungen? Man hatte ja keine Computer oder Taschenrechner griffbereit.
Schließlich gibt es noch den Fersenstein (Bild rechts), der, wie der "Opferstein" am Rand der Avenue aufgestellt ist. Die Avenue verläuft übrigens in dem Teil, der Stonehenge am nächsten liegt, genau in der Achsenlinie der Anlage, sodass die ersten Strahlen der Sonne zur Sommersonnenwende über diese Prozessionsstraße in den Tempel scheinen. Sechs Monate geht die Sonne auf der gegenüberliegenden Seite unter, sodass sie damals in der Öffnung des größten Trilithen verschwand.
Es kann durchaus sein, dass die Wintersonnenwende bedeutungsvoller war, weil die Sonne dann wieder länger schien und damit auch die Tage länger wurden. Das war in der Neusteinzeit für die Bevölkerung, die aus Jägern und Sammlern bestand, überaus wichtig.

Zum Abschluss ein paar Kuriosa aus moderner Zeit: 1915 wurde Stonehenge versteigert. Ein gewisser Cecil Chubb kaufte es um 6600 englische Pfund, schenkte das Bauwerk dann aber kurz danach der Landesbevölkerung. Obwohl die Anlage schon im Jahr 1901 kurzzeitig eingezäunt wurde, war es später wieder möglich, den Steinkreis selbst zu betreten. Das konnte man bis 1978 tun - dann aber hatten die Besucherzahlen so stark zugenommen, dass man wieder Einschränkungen finden musste. Heute hat Stonehenge etwa 850.000 Besucher jährlich.


© Bernhard Kauntz, Wolvertem, Belgien, 2012


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