Der Altstädter Ring in Prag


Wenn man die tschechische Bezeichnung "námešti" übersetzt, hat das gar nichts mit "Ring" zu tun, denn "námešti" bedeutet Platz, vielleicht auch Marktplatz. In früherer Zeit war das auch seine Funktion. Das "staromĕstské" ist leichter zu übersetzen, denn es bedeutet eben "altstädtisch".
Das bekannteste Bauwerk auf diesem Platz ist wohl der Rathausturm mit der astronomischen Uhr. Schon im Jahr 1338 bekam Prag das Recht, ein eigenes Rathaus zu bauen und der Turm stammt ganz richtig aus dieser Zeit. Die Uhr entstand erst 1410 und wurde von Mikuláš z Kadanĕ nach Berechnungen des Astronomen Jan Šindel gebaut, sowie 80 Jahre später von Meister Hanuš vervollständigt.
Wieder reagiert der Linguist in mir auf die Bezeichnung "Orloj" für die Uhr.
Das Wort wird aus dem Lateinischen "horologium" entlehnt. Die italienische Bezeichnung dafür ist heute noch "orologio" und im Französischen bedeutet "horloge" eine große Uhr. Auch das englische Wort "hour" kommt daher. Dass eine slawische Sprache das lateinische Wort entlehnte, hat wohl als Ursache, dass die ersten Uhren in Italien erfunden wurden. Doch nun schnell zurück zum Staromĕstské námešti:

Viele der Häuser um und in der Nähe des Platzes stehen auf romanischen oder gotischen Grundmauern, was bedeutet, dass das Gebiet schon vor 1000 Jahren bebaut war. Mitten am Platz steht ein Denkmal, die 1915 von Ladislav Šaloun erschaffene Gruppe zu Ehren von Jan Hus, dem Gründer der böhmischen Reformation.
Inspiriert wurde dieser durch Schriften des Engländers John Wyclif, was dazu führte, dass er das Papsttum ablehnte und die Habsucht und das Lasterleben der kirchlichen Würdenträger ablehnte. Das machte ihn natürlich nicht populär, wenngleich er auch zeitweise vom Adel unterstützt wurde, der sich Hoffnungen auf einen Teil der Kirchenschätze machte. Dazu gehört gesagt, dass es fast im ganzen 14. Jhd. zwei Päpste gab, Anfang des 15. Jhd. sogar drei. Nichtsdestoweniger wurde Hus 1411 exkommuniziert und aus Prag ausgewiesen. 1415 wurde er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Jan Hus war aber nicht nur auf religiösem Feld tätig, er hatte auch großen Anteil daran, die tschechische Schriftsprache zu fördern. Als Universitätslehrer und später als Rektor führte er zum Beispiel den Hatschek ein, ein Zeichen, das die Konsonanten weich macht, sowie die akuten Akzente, die Vokale verlängern.
Außerdem ist er gewissermaßen ein tschechischer Nationalheld, da er sich eben im Gegensatz zur meist deutschsprachigen weltlichen und kirchlichen Oberheit befand.

Am Altstädter Ring müssen aber auch die zwei Kirchen erwähnt werden, die das Aussehen des Platzes mitbestimmen. Mit dem Bau der gotischen Teynkirche, der Jungfrau Maria geweiht, wurde schon 1365 begonnen - sie dominiert den Staromĕstské námešti, obwohl sie nicht direkt am Platz steht, sondern mit ihren Türmen hinter zwei Häusern hervorlugt. Der rechte Turm ist etwas dicker als der linke und wird Adam genannt, während die schlankere Eva links von ihm steht (vom Marktplatz aus gesehen). Das tschechische "tyn" hat denselben Stamm wie das deutsche "Zaun" und kommt daher, dass hier früher Zoll erhoben wurde.
Im Inneren der Kirche befinden sich mehrere Schätze, ein Teil davon aus dem frühen 15. Jhd. Außerdem ist hier der Hofastronom von Rudolf II begraben, der dänische Tycho Brahe, der der Lehrer von Johannes Kepler war.

Die zweite Kirche, die direkt am Platz steht, ist die barocke Nikolauskirche. Sie wurde im 18. Jhd. von Kilian Ignaz Dienzenhofer errichtet, als Ersatz für die frühere romanische Kirche, die durch einen Brand zerstört wurde. Sie hat, trotz ihres relativ kurzen Daseins, eine bunte Geschichte. Als Teil eines Klosters wurde sie in der Josephinischen Ära zu einem Lagerhaus umfunktioniert, später wurde sie als Garnisonskirche verwendet. 1871 wurde die Kirche von der russisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft in Besitz genommen, aber wurde schon 1920 zum Gotteshaus der tschechischen Hussiten, die damals hier gegründet wurden. Damit ist auch der Kreis zu Jan Hus wieder geschlossen.

Das Palais Kinsky, das sich ebenfalls auf dem Platz befindet, wurde auch von Dienzenhofer geplant, aber von Anselmo Lurago ausgeführt. Es hat 1948 Geschichte geschrieben, als man von dort aus die kommunistische Machtübernahme verkündete.


Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010



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