Der Heurige - Wiens Weinlokale


Es ist Frühling in Wien. Überall grünt es und Bäume und Sträucher blühen, sodass man wie in einer farbenprächtigen Explosion lebt. Die Luft ist klar. Ich stehe ganz oben am Bisamberg und sehe bis in die Slowakei im Osten, im Süden sehe ich tatsächlich die Rax und den Schneeberg, die ja sicher siebzig, achtzig Kilometer weit weg sind. Man sieht den weißen Schnee am Schneeberg, der ja immerhin über 2000 m Höhe hat. Der Bisamberg, im Norden von Wien, hat mit seinen 359 m Höhe geringere Ausmaße, aber der effektive Höhenunterschied zur Stadt, die sich da unten ausbreitet, ist immerhin knappe 200 Meter, was für eine superbe Aussicht vollkommen genügt. An den Hängen zur Stadt hinunter steht Weinstock an Weinstock, in langen Reihen.

Ich fange an, schön langsam hinunterzugehen und denke daran, dass der Weinbau hier schon seit der Römerzeit, seit mindestens 2000 Jahren, betrieben wird. Die Tradition, dass die Weinbauern ihren Wein an Passanten verkaufen, ist wahrscheinlich ebenso alt. Aber erst 1784 wurde dies gesetzlich geregelt, als Kaiser Joseph II verkündete, dass die Wiener Weinbauern das Recht haben sollten, Lebensmittel zu kredenzen, wie Wein aus eigener Produktion, wenn das in dem Haus geschah, in dem der Wein aus den umliegenden Weingärten gekeltert wurde. Das ist aus zwei Gründen interessant. Erstens gilt es Lebensmittel aus eigener Produktion, was es den Heurigen möglich macht, auch ein Buffet zu unterhalten, das aus dem einen Leckerbissen nach dem anderen besteht. Zweitens ist es die räumliche Begrenzung in der kaiserlichen Verordnung, die die Heurigen schließlich an den Fuß der die Stadt umgebenden Berge bindet.

       
So kann es in den Innenräumen eines Heurigen aussehen. Im Buffet gibt es allerlei Leckerbissen, die gut zum Wein passen.
       
Hier sind zwei Beispiele von Gartenbetrieb. Und gewiss schmeckt der Wein draußen am besten, wenn es das Wetter nur zulässt.

Im Ausland sind wohl Grinzing und mit Abstand auch Sievering und Nussdorf die bekanntesten Weinorte, weil die Reisebusse die Touristen laut Schema dorthin führen. Man wird irgendwo hineinbefördert, um das aus dem Reiseprospekt versprochene "Vierterl" zu bekommen. Während man es trinkt, hört man auch zwei oder drei typische Wienerlieder, die von mehr oder weniger guten Musikanten gespielt werden. Dann ist es schon wieder Zeit, in den Autobus zu steigen, um schleunigst zur nächsten Attraktion geführt zu werden...

Eine Gasse mit lauter Weinkellern, auf dem Weg vom Bisamberg zur Stadt. Und eine Gasse unten im "Dorf", in Stammersdorf. Hier gibt es noch keine Reisebusse und man kann noch immer echte Stimmung erleben.

Persönlich - und meine Ansicht wird durchaus von vielen der Lokalbevölkerung geteilt - ziehe ich die alten Weinorte vor, die nördlich der Donau liegen, am Fuß des Bisambergs, wie Strebersdorf und Stammersdorf. Der Wein ist dort mindestens genauso gut und die Stimmung kann auch hier hoch werden, ohne sie künstlich hochpeitschen zu müssen.

Überall wird man an die Arbeit der Weinbauern erinnert. Hier in der Form einer alten Weinpresse, die den Gehsteig ziert.

Zum Heurigen zu gehen ist ein Teil des Alltags in Wien, man macht das viel öfter als bei einer Sportveranstaltung zuzusehen oder ins Theater zu gehen. Außerdem sind beim Heurigen alle Gesellschaftschichten und Leute in jedem Alter vertreten.
Mir fällt ein, dass der Name, genau wie die Tradition von den Römern herstammt. Heuriger bedeutet ja "aus diesem Jahr" und man meinte natürlich anfangs die Weinernte des Jahres, auch wenn heute das Verkaufslokal dieselbe Bezeichnung trägt. Das Wort kommt von "heuer = dieses Jahr", ein Wort, das es im Hochdeutschen gar nicht gibt, sondern nur in bairisch-österreichischen Dialekten vorkommt. Es gibt jedoch ein ähnliches Wort, das im gesamten deutschen Sprachraum verwendet wird: "heute = dieser Tag". Das Wort stammt vom lateinischen "hodie" ab, das seinerseits eine Verkürzung von "hoc dies" ist, das eben "dieser Tag" bedeutet. Interessant ist, das eine Wort überall zu finden, während "heuer" nahezu auf Österreich beschränkt ist. Aber schließlich gibt es ja auch die Heurigen nur da....

Aaron Krolikowski hat bei einem Wiener Heurigen ein paar Skizzen gemacht, die er mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Wenn Sie die anderen Skizzen sehen wollen, dann klicken Sie bitte auf das Bild.



Die einzelnen Heurigen haben durchaus nicht ganzjährig geöffnet, jeder darf nämlich selbst über die Öffnungszeiten verfügen. Die größeren haben feste Zeiten, z.B. gerade oder ungerade Monate, andere beschränken sich auf die Wochenenden, z.B. Freitag - Sonntag. Wenn man aber bei den kleineren nachfragt, wann sie offen haben, kann man als Antwort auch "wenn schönes Wetter ist...." bekommen.

     

Dieser Föhrenbusch zeigt schon von weitem an, dass hier geöffnet ist.

Das macht aber nichts, denn es gibt so viele Lokale zur Auswahl, dass immer irgendwo offen ist. Egal wann, immer sieht man irgendwo die Föhrenzweige, die vor einem Eingang hängen. Das ist nämlich das gemeinsame Kennzeichen für alle. Um anzuzeigen, dass geöffnet ist, hängt man den Föhrenbusch hinaus. In Wien sagt man dann: "ausgsteckt is".
Auf Grund dieser Buschen hat der Heurige auch einen anderen, offiziellen Namen, nämlich "Buschenschank".

Es ist lange her, seit ich in Wien gewohnt habe, deshalb weiß ich nicht mehr, wohin all diese Gassen gehen, die ins Dorf hinunterführen und die von vielen Lokalen gesäumt sind. Aber das macht auch nicht so viel, so lange es nur abwärts geht, stimmt die Richtung schon...

Man kann natürlich auch Wein und Mineralwasser extra bestellen, um sich den "Gspritztn" nach eigenem Geschmack zu mischen.

Aber jetzt werde ich schön langsam durstig. Ob da meine Wanderung schuld daran ist, oder dass meine Gedanken dauernd um den Wein kreisen - das weiß ich nicht, aber ich nehme mir vor, beim nächsten Heurigen einzukehren und einen "Gspritztn" zu trinken. Dieses wunderbare wienerische Wort mit acht Konsonanten und einem einzigen Vokal in der Mitte (das gibt es ja kaum in einer slawischen Sprache...), dieses Wort also bezeichnet eine Mischung von einem Achtel Liter Wein und ebenso viel Sodawasser (das aber heute durch Mineralwasser ersetzt wird). Diese Erfrischung ist in den letzten zwei Jahrzehnten sehr beliebt geworden, weil sie teils erfrischender ist und man teils den Wein nicht so sehr spürt.

Der nächste Heurige ist der Weinbau der Familie Lang. Sie haben gerade geöffnet und ich bin der erste Gast. Deshalb frage ich gleich, ob ich ein paar Aufnahmen machen darf. Ich darf natürlich, aber man ist auch sonst sehr entgegenkommend. Das Lokal ist in den Berg eingesprengt, vermutlich hat es früher einmal als Weinkeller gedient. Aber wie die allermeisten Heurigen hat man auch einen Gartenbetrieb, der in diesem Fall aus Platzbesparung "auf dem Dach" untergebracht ist. Ich setzte mich in den Garten um eine Weile zu philosophieren. Die einfachen Holztische und -bänke sind beim Heurigen auch Tradition; wichtiger als die Einrichtung ist, dass der Wein gut schmeckt.

Es ist leider noch ein wenig früh im Jahr, aber später gibt es kaum eine angenehmere Umgebung, um den Wein zu genießen, als die grünen Weinreben rings umher und wenn im Herbst dann der Wein in großen Trauben herunterhängt.

Während ich langsam den Wein austrinke, kommen schon mehr Gäste und bald ist die Luft erfüllt von den Geräuschen, die entspannte und frohe Menschen kennzeichnen.

Als ich dann später meinen Weg zur Stadt wieder aufnehme, komme ich an Weinfeldern vorbei, wo man sehr informativ auf einem Schild bekannt gibt, welche Weinsorten ebendort wachsen. Ich bleibe stehen um über die verschiedenen Trauben zu lesen - aber eigentlich spielt es keine größere Rolle, ob man einen "Grünen Veltliner", einen "Müller-Thurgau" oder einen "Neuburger" trinkt. Beim Heurigen schmecken alle Sorten gut.

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