Stift Melk


Fragen Sie in Österreich den Mann auf der Straße, was er über das Stift Melk weiß. Jeder kennt es. Sie werden Antworten erhalten von "gelb" über "schön, prachtvoll", vielleicht bis zu "Barockgebäude in der Wachau".
Die Wenigsten wissen jedoch, dass sich hier ein geistliches und weltliches Zentrum der frühesten österreichischen Geschichte befindet. Schon vor der ersten Jahrtausendwende unserer Zeitrechnung, kurz nach der Schlacht am Lechfeld 955, haben die Babenberger an diesem Platz eine Burg erbaut.
1968 fand man 15 Skelette der Babenberger, unter anderen die der Markgrafen Adalbert (1018-1055) und Ernst (1055-1075). Auch der Hl. Koloman, ein irischer Pilger, der 1012 in Stockerau gehängt wurde, dessen Leiche aber nicht verweste, wurde 1014 in Melk bestattet.
Bald begannen die Babenberger ihren Einflussbereich auszudehnen. Man glaubt, dass Melk schon unter Leopold II (1075-1095) nur mehr als Begräbnisplatz diente. Daher ist es nicht weiter erstaunlich, dass man hier ein kirchliches Zentrum errichten wollte. Am 21. März 1089 kamen die ersten Benediktiner in Melk an. Sigibold war der erste Abt des Klosters. Leopold III (1095-1136) verlegte seine Residenz schließlich endgültig nach Klosterneuburg.

Die Geschichte des Klosters wird durch ein ständiges Auf und Ab gekennzeichnet. Am 14. August 1297 verheerte ein Brand Kloster und Kirche, was fast zur Auflösung geführt hätte.


Objekte aus der Ausstellung im Museum

Im 15. Jhd. war die Klostermoral allgemein so tief gesunken, dass man dagegen Schritte unternehmen musste. Die "Melker Reform" führte wieder zu besserer Disziplin und Melk wurde ein Vorbild für viele Klöster im deutschsprachigen Raum. Dies führte seinerseits zu einem Aufschwung, bis im nächsten Jahrhundert der Protestantismus zu neuerlichem Verfall beitrug.
Ein neues Hoch kam durch die Gegenreformation zustande und als Berthold Dietmayr im Jahr 1700 zum Abt gewählt wurde, war dies eine Sternstunde des Klosters. Dietmayr ließ zuerst die Kirche, dann aber die ganze Klosteranlage neu erbauen. Er engagierte Jakob Prandtauer als Bauherren und nun entstand das Barockstift, das wir heute kennen. Prandtauer leitete die Arbeiten bis zu seinem Tod 1726. Danach wurde der Bau von seinem Schüler Joseph Munggenast weitergeführt. Dieser war auch für die gestaltliche Veränderung der Kirchtürme verantwortlich, als 1738 ein neuer Brand einen Großteil des Gebäudes zerstörte. Die Fresken in der Kuppel der Kirche stammen übrigens von Johann Michael Rottmayr.

Stift Melk war aber auch durch die Jahre ein Bildungszentrum. Bis zu 29 Pfarren unterstanden dem Stift und mussten betreut werden. Aber auch die weltliche Lehrtätigkeit darf nicht unerwähnt bleiben. Es begann damit, dass man Sängerknaben ins Stift holte, die bei der Messe singen sollten. Natürlich wurde auch für ihre nicht musikalische Ausbildung gesorgt. Mit der Zeit entstand eine Lateinschule, die von Maria Theresia in ein öffentliches Gymnasium umgewandelt wurde.

Durch einen Vorhof und ein Rundbogenportal in der schlossähnlichen Ostfassade des Stifts kommt man in den Prälatenhof, der die Ausmaße eines kleinen Fußballfeldes hat. Dadurch, dass der Hof trapezförmig angelegt wurde, also an der gegenüberliegenden Seite schmäler ist, entsteht eine noch größere Tiefenwirkung. Über diesem Anblick erhebt sich majestätisch die Kuppel der Kirche. Den Kolomanibrunnen, der 1687 errichtet wurde und im Hof stand, schenkte Abt Dietmayr der Stadt Melk, wo er heute auf dem Rathausplatz steht.
Der heutige Brunnen stammt aus dem aufgelassenen Chorherrenstift Waldhausen.

Über die Kaiserstiege kommt man in den ersten Stock, wo heute das Museum untergebracht ist. Dieser Trakt war früher dem Kaiserhaus reserviert gewesen. Am ersten Absatz der Treppe findet man eine plastische Gruppe mit dem Wahlspruch von Kaiser Karl VI, der sowohl Abt Dietmayr als auch dem Stift sehr gewogen war. Dort steht: "Constantia et fortitudine", also etwa "Beharrlichkeit und Tapferkeit". Auch Tochter Maria Theresia soll im Jahr 1743 gesagt haben: "Es reuete mich, so ich nit hier gwesen wer."

Der Arkadengang im ersten Stock ist die nächste Augenweide. Er zieht sich über die ganze Südfront der Anlage und ist fast 200 m lang. An den Wänden hängen Portraits sämtlicher Herrscher, angeführt von Markgraf Leopold I von Ostarrichi bis zum letzten Kaiser Österreichs, Karl I.

Die Bilder vor 1759 wurden von dem damaligen Hausmaler des Stifts, Franz Joseph Kremer gestaltet.

Wir aber gehen nicht durch den Arkadengang, in dem sich die Zimmer der Bediensteten befanden, sondern wir wenden uns nach Westen, wo die Lokalitäten für die kaiserliche Familie heute in ein Museum umgewandelt worden sind. Die Einrichtung der Kaiserzimmer musste jedoch, abgesehen von ein paar Kachelöfen, an das Schloss Laxenburg abgegeben werden. Das Museum zeigt daher ausschließlich die Geschichte Melks und einige der Kunstschätze des Stifts.

Auf die Ausstellung möchte ich nicht im Detail eingehen, weil sie im Laufe der Zeit ja doch verändert wird. Sie ist vermutlich zu jeder Zeit sehenswert, auch wenn ich persönlich bei der derzeitigen Fassung mit dem farbigen Licht in den ersten zwei Räumen (lila, bzw. grün) nicht ganz klar komme.

Nach den Ausstellungsräumen betritt man den Marmorsaal, der als Gäste- und Speisesaal diente, nicht zuletzt aber der kaiserlichen Familie. Von dort geht es zur Terrasse, die vom Marmorsaal in den nördlichen Trakt führt. Das Hauptaugenmerk richtet sich natürlich auf die beiden Türme, die das Stiftsgebäude im Westen abschließen.
Diese Türme wurden also nach dem Brand 1738 von Joseph Munggenast neu gestaltet und zeigen bereits einen Einfluss des Rokoko. Zwischen den Türmen steht eine riesige Statue des auferstandenen Christus.

Wenn man über die Terrasse zum nördlichen Trakt geht, kommt man in die Bibliothek. Bevor wir aber die nächste, wunderbare Einrichtung besprechen, möchte ich dem Besucher empfehlen, während seinem Rundgang ab und zu den Blick zur Decke zu erheben, um die Deckenfresken zu bestaunen.

 

Für die Deckengemälde im Marmorsaal und in der Bibliothek zeichnet Paul Troger, für die sie umgebende Architekturmalerei Gaetano Fantis.
Die Bibliothek ist ein wichtiger Raum für die Benediktiner, da sie großen Wert auf Bildung legen. Es ist also nicht erstaunlich, dass man hier wieder sowohl vom Inhalt wie auch der Pracht überwältigt wird. Es gibt 1800 Handschriften, deren älteste aus dem 9. Jahrhundert stammen. Ein anderes Glanzstück ist das "Leben Jesu" von Frau Ava - die erste nachweisbare Dichtung einer Frau in deutscher Sprache. Ein anderer Schatz wurde erst 1997 wiederentdeckt, nämlich ein Fragment einer Abschrift des Nibelungenliedes von etwa um 1300. Die meisten Handschriften stammen jedoch aus dem 15. Jahrhundert.
750 Frühdrucke bis 1500 enthält die Bibliothek, danach verdreifacht sich diese Zahl ungefähr in jedem neuen Jahrhundert. 16000 Werke befinden sich im Bibliotheksraum.

Aus der Bibliothek geht der Weg über eine Wendeltreppe in die Kirche. Eine Barockkirche ist nicht jedermanns Sache, weil sie manchem überladen erscheint, aber wenn man sich die Zeit nimmt, um Details wahrzunehmen, dann ist die Stiftskirche in Melk ein großartiger Platz dafür.

Leider würde es weit über den Rahmen dieser Seite hinausführen, diese Details in Bildern zu zeigen. Ich beschränke mich daher darauf, eine Überblicksbild zum Hochaltar und zwei Seitenaltäre zu zeigen. Aber man sollte die Kirche ohnehin selbst sehen, um einen gerechten Eindruck zu bekommen.

Antonio Beduzzi ist für die meisten Entwürfe der Kirche verantwortlich, Abt Dietmayr holte dann führende Künstler, um sie zu realisieren. Das Grundthema der Kirche wird am Hochaltar in einer Kartusche angegeben: "Non coronabitur, nisi legitime certaverit." Das bedeutet in etwa, dass es keinen Sieg geben kann, ohne dafür rechtmäßig gekämpft zu haben. Als Beispiel dient der Märtyrertod von Petrus und Paulus am Hochaltar, ein Thema, das dann in der Kirche vielfältig wiedererscheint.
Und auch wenn ich persönlich diesen Grundsatz nicht gutheißen kann, genau so wenig wie die Idee eines Klosters überhaupt, so möchte ich den kunsthistorischen Teil des Stifts Melk vom religiösen Teil trennen. Deshalb bin ich auch trotzdem der Ansicht, dass wir es hier mit einem der größten Juwelen der österreichischen Kultur zu tun haben.



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