Die Ringstraße -
Ein Juwel unter den Straßen der Welt



Der Ringturm - das damals höchste Hochhaus in Wien
Ich erinnere mich an die Zeit, als der Ringturm gebaut wurde, irgendwann in den Fünfzigern. Damals war ich noch ein Kind und es war das bisher höchste Hochhaus in der Stadt. Mein Weg führte ziemlich oft daran vorbei und ich zählte dann immer die Stockwerke, während das Gebäude emporwuchs. Als es gute zwanzig waren, kam der Mast auf das Dach, als würdiger Abschluss. Denn der hatte nicht nur eine blinkende Lampe, wie andere Masten, die als Warnungslicht für den Flugverkehr dienen, sondern er war - und ist es heute noch - ein Vermittler der Wettervorhersage. Damals lernte ich natürlich alle Symbole auswendig, aber viele kann ich heute noch. Ein steigender oder fallender roter Strich zeigt die Temperaturschwankungen an, die Anzahl der blinkenden Lampen zeigt wie bewölkt es am nächsten Tag wird, und so weiter ...
Der Ringturm steht dort, wo der Ring anfängt, oder, wenn man will, endet, denn in der heutigen Zeit fährt der Autoverkehr im Uhrzeigersinn und mündet bei der Augartenbrücke. Unsere Wanderung geht aber in die entgegengesetzte Richtung, für uns beginnt der Ring hier.
Aber wie auch immer - ein Ring hat doch weder Anfang noch Ende? Doch, dieser schon. Er umschließt nämlich auf drei Seiten das, was einmal das alte Wien war, die vierte Seite besteht aus dem Donaukanal, einem Seitenarm der Donau, der einen Abstecher durch die Stadt macht.

Meine nächste Erinnerung an die Ringstraße stammt auch aus der Mitte der Fünfziger, damals geschah es nämlich, dass die Börse niederbrannte. Ich erinnere mich an die großen Schlagzeilen in den Zeitungen, dunkel erinnere ich mich auch an ein Bild von dem brennenden Haus, aber vor allem daran, dass alle Leute davon sprachen. Man entdeckte schließlich, dass die Ursache des Brandes ein weggeworfener Zigarettenstummel gewesen war, der durch ein Gitter am Gehsteig in den Keller des Gebäudes gefallen war und die Katastrophe ausgelöst hatte. Ich glaube, dieses Erlebnis war mir eine gute Lehre, denn in meinem ganzen Leben als Raucher habe ich mich immer bemüht, meine Zigaretten ordentlich auszudrücken ...
Schön, die Börse ist inzwischen schon lange wieder aufgebaut, ist aber trotzdem eines der "klassischen" Gebäude am Ring, ein rosafarbenes Haus, auf derselben Seite wie der Ringturm, also unserer linken.

Der nächste, großartige Anblick kommt jetzt rechter Hand, ein paar hundert Meter weiter vorne. Ein großer Platz öffnet sich und gegen den Hintergrund erheben sich die zwei spitzen, neugotischen Türme der Votivkirche. Unter der Erde machen die Straßenbahnlinien 38 - 44 ihre Schleifen, um wieder ihre Fahrt in die äußeren Bezirke aufzunehmen.
Die Straßenbahnen fahren in steigender Zahlenfolge vom Ring weg, aber gegen den Uhrzeigersinn und es gibt lange nicht (mehr) alle Zahlen. Aber es erleichtert jedenfalls, sich in Wien zu orientieren und hilft, den öffentlichen Verkehr zu verstehen. Einen Teil des Ringes befahren die Linien 1 und 2, sowie die Linie "D", eine der letzten Buchstabenbezeichnungen.

Dann kommt die Universität, direkt am Ring, sodass es schwer ist, einen Gesamteindruck zu bekommen. Die Fassaden werden von Statuen berühmter Wissenschafter geschmückt, hauptsächlich aus dem 19. Jhd., als das Gebäude errichtet wurde. Wiens Universität ist übrigens die älteste, die im deutschsprachigen Raum entstand.


Die Votivkirche mit ihren zwei schlanken Türmen gehört zu den bekanntesten neugotischen Kirchen in Wien.


Das stattliche Rathaus ist am Ring zu sehen, wie auch die berühmtesten Bretter des Landes - die Szene des Burgtheaters.

Gleich nach der Universität fängt der Rathauspark an, von wo man dann bald freie Sicht auf das neugotische Rathaus hat. Das ist ein recht imponierender Anblick und man kann der Stadtverwaltung zu diesem inspirierenden Sitz nur gratulieren.
Gegenüber, und jetzt wieder links, liegt das Burgtheater, das wichtigste Theater des Landes seit 1776, als es gebaut wurde. Im Anschluss daran folgt auch auf dieser Seite ein großer Park, der Volksgarten, der ein wenig weiter vorne in den Burggarten übergeht.

Aber bevor wir noch so weit kommen, müssen wir wieder einen Blick nach rechts werfen, denn dort steht die Pallas Athene vor dem Parlament, das in der Form eines griechischen Tempels erbaut worden ist.
Alle Gebäude auf unserer rechten Seite wurden ungefähr gleichzeitig errichtet, obwohl die Baustile sehr verschiedene Perioden nachahmen.

Von hier aus wird das Land regiert ...
Das kommt daher, dass Wien um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch immer von einer mittelalterlich anmutenden Stadtmauer umgeben wurde. Als dann der junge Franz Joseph zum Kaiser gekrönt wurde, wollte er die Stadt modernisieren. Er befahl, die nunmehr nutzlosen Stadtmauern niederzureißen und beschloss, den Ring als Paradestraße einzurichten. Dazu benützte er die freie Fläche außerhalb der Stadtmauern, das sogenannte "Glacis", wo es früher nicht erlaubt war, zu bauen, weil man freie Sicht auf eventuell anstürmende Feinde brauchte. Auf diese Art bekamen die Gebäude am Ring genügend Platz, um sich selbst gerecht werden zu können.
Links gehen wir jetzt durch das Heldendenkmal hinein zum Schloss. Die Burg steht mächtig und imponierend vor uns. Aber genau das war ja auch der Sinn gewesen, in der Hauptstadt eines mächtigen Reiches, das aus vielen verschiedenen Nationen und Ansichten bestand. Der Eindruck von Kraft und Stärke half sicher, den einen oder anderen Kopf voller aufrührerischer Gedanken zu kühlen. Heute gibt es u.a. Museen, die Nationalbibliothek und die Spanische Hofreitschule auf dem Gelände des Schlosses.
Wir gehen denselben Weg zurück, den wir gekommen sind und sehen auf der anderen Seite des Ringes zwei monumentale Gebäude, im Spiegelbild zueinander stehend.

... obwohl es noch keine hundert Jahre her ist, seit das Land von hier aus regiert wurde, von der kaiserlichen Residenz, der Burg.

In der Mitte des freien Platzes davor steht das Denkmal Maria Theresias, die ja ein Jahrhundert vor Franz Joseph in Österreich regiert hatte. Maria Theresia hatte trotz, oder vielleicht gerade wegen ihrer sechzehn eigenen Kindern recht soziale Ansichten und legte den Grundstein für das Schulsystem in Österreich.
Nun aber zurück zu den zwei Gebäuden: rechts steht das naturhistorische, links das kunsthistorische Museum, beide sind es wert, wenigstens je einen Tag eines eventuellen Wienurlaubs dort zu verbringen. Die Venus von Willendorf kann man da drinnen sehen, die kleine, dicke Frauenfigur, die mehr als 20000 Jahre alt ist. Und eine der größten Brueghel-Sammlungen der Welt. Und noch viel mehr.
Auf unserem Spaziergang über den Ring kommen wir jetzt zur Oper. In der Hauptstadt der Musik muss die wohl nicht näher vorgestellt werden....
Hier empfehle ich zwei Abstecher von der Ringstraße. Der erste führt uns links gegen die Stadtmitte, am Hotel Sacher vorbei (mit der Torte, Sie wissen schon), die Kärntner Straße hinauf (obwohl sie eigentlich nicht "hinauf" geht, man sagt es nur so in Wien), bis zum eigentlichen Mittelpunkt der Stadt.
Dort steht der Stephansdom mit seinem 137 m hohen Turm, in den man über eine Wendeltreppe ganz schön weit hinaufsteigen kann - auf jeden Fall sind es über 300 Stufen. Dieses Wahrzeichen war und ist das Zentrum der Stadt und ist außerdem das, womit die meisten Wiener ihre Stadt identifizieren. Natürlich ist es auch wert, in die Kirche selbst hineinzuschauen, sie bietet einen großartigen Anblick und ist außerdem von Legenden umwoben. In den Katakomben, nicht weit von hier, kann man die Särge der Habsburger sehen, in denen sie in ihrer letzten Ruhe gebettet liegen.

Die Oper liegt direkt am Ring - deshalb ist es schwierig, das ganze Gebäude auf einem Bild zu verewigen.

Wir gehen zum Ring zurück und weichen jetzt nach rechts ab. Wir gehen an Otto Wagners Eingang zur U-Bahn vorbei, die hier im Originalstil zu sehen ist, wie sie am Beginn des vorigen Jahrhunderts ausgesehen hat und bekommen dann freie Sicht auf die Karlskirche, die schönste Barockkirche der Stadt.


Am Karlsplatz sieht man sowohl die alte U-Bahnstation vom Anfang des 20. Jhd. und eine von Wiens schönsten Kirchen, die Karlskirche.

Durch den Stadtpark gehen wir dann wieder zurück zum Ring, wo auf seinem letzten Teil einige der exklusivsten Hotels der Stadt liegen.
Vergessen Sie nicht, rechter Hand einen Blick auf die Reiterstatue des General Radetzky zu werfen - mein Großvater war seinerzeit behilflich, sie dort aufzustellen. Sonst ist Radetzky heute wohl dadurch bekannt, dass das jährliche Neujahrskonzert aus Wien immer mit dem Radetzkymarsch abgeschlossen wird, bei dem das Publikum den Takt klatschen darf.

Urania, mit ihrem astronomischen Observatorium, bildet den Schlusspunkt unserer Wanderung über die Ringstraße.
Ein paar hundert Meter weiter sind wir wieder beim Donaukanal angelangt, wo wir ein Gebäude mit einer Kuppel am Dach sehen. Ganz richtig ist das auch ein Observatorium. Das Gebäude heißt Urania, nach der griechischen Muse benannt, in deren Aufgabenbereich die Astronomie lag.
Die Straße längs dem Donaukanal, die den Ausgangs- bzw. Endpunkt unseres Spaziergangs bildet, heißt gerechterweise Franz-Josephs-Kai. Es ist ja schließlich ihm zu verdanken, dass wir uns heute auf dieser prächtigen Straße vergnügen können.

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letzte Änderung: 9.7.2010 by webmaster@werbeka.com