GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
AUS DEM 18. JAHRHUNDERT

Der Spanische Erbfolgekrieg

Nach dem Tod Karl II von Spanien proklamierte der Sonnenkönig Ludwig XIV den zweiten Sohn des Thronfolgers (Dauphin) Louis de Bourbon, nämlich Philipp von Anjou, als König von Spanien, wo er als Philipp V regieren sollte. (Der erste Sohn würde als Ludwig XV auf den französischen Thron steigen, nachdem sein Vater schon 1711 an den Pocken gestorben war.)
Das war zwar ganz nach dem letzten Willen von Karl II, jedoch gar nicht nach dem Willen der Habsburger, noch dem der Engländer oder der Niederländer. Die Bourbons sowohl auf dem Thron von Frankreich, als auch dem von Spanien - das war eine zu große Machtkonzentration. Die Habsburger verwiesen darauf, dass die Gattin von Ludwig XIV bei der Heirat ausdrücklich auf ihr spanisches Erbe verzichtet hatte und bestanden außerdem auf dem Erbrecht der Familie - der König von Spanien war ja Habsburger gewesen. Man wollte den zweiten Sohn von Kaiser Leopold I auf dem spanischen Thron sehen.
Auch England unter Willem III von Oranien-Nassau und dadurch auch die Niederlande bevorzugten diese Lösung. (England und die Niederlande waren in einer Personalunion, das heißt Willem III war nicht nur König von England, Schottland und Irland, sondern auch Statthalter der Sieben Vereinigten Niederlande.)

Es dauerte kein halbes Jahr, bevor Philipp V sich zum König ausrufen ließ und es sich in Madrid bequem machte. Kaiser Leopold I protestierte natürlich, worauf Frankreich und Österreich zum Krieg rüsteten.
Manchmal wird behauptet, dass der spanische Erbfolgekrieg ein sogenannter Kabinettkrieg war. In einem Kabinettkrieg bemüht man sich hauptsächlich um Allianzen, sowie man durch kleinere Gefechte versucht, sich Vorteile zu verschaffen, während große Schlachten vermieden werden. (Ein moderner Kabinettkrieg wäre also der "kalte Krieg" zwischen den USA und der Sowjetunion gewesen.) Nun, ich weiß es nicht, aber in den 13 Jahren des Erbfolgekrieges wurden immerhin 30 Schlachten geschlagen - und die Kriegsopfer haben sicher etliche Kabinette gefüllt ...

Der erste Kriegsschauplatz war Norditalien. Savoyen hatte sich mit Frankreich verbündet, während das Herzogtum Mailand zu Spanien gehörte. Um eine bessere strategische Lage zu bekommen und um Österreich von den spanischen Besitzungen in Süditalien abschirmen zu können, besetzte Frankreich das Herzogtum Mailand. Österreich griff am 9. Juli 1701 die Besatzungstruppen an - ohne offizielle Kriegserklärung, wie man den Habsburgern manchmal vorwirft. Man könnte aber erstens genauso gut sagen, dass die Besatzung durch Frankreich schon eine Kriegshandlung war ... Zweitens gibt es Unterlagen, die behaupten, dass Leopold I schon am 15. Mai dieses Jahres den Bourbonen Krieg erklärt hatte. Wie auch immer, die Österreicher gewannen zwei Schlachten (bei Carpi und Chiari), konnten aber Mailand nicht erobern.

Im September 1701 wurde die Haager Große Allianz gebildet, der Kaiser Leopold I, England, die Vereinigten Niederlande, Dänemark, Portugal und die meisten deutschen Kleinstaaten beitraten. Frankreich dagegen hatte kaum Verbündete. Außer den Herzögen in Norditalien konnte man nur auf Bayern, Brandenburg und Köln zählen. Einen Krieg im Krieg verursachte der bayrische Kurfürst Maximilian II Emanuel, der allerdings für ihn schon 1704, nach der zweiten Schlacht von Höchstädt, im Exil endete.

Inzwischen hatten Niederländer und Engländer in den Niederlanden ein Heer von 100.000 Mann unter der Leitung des Duke von Marlborough aufgestellt. Prinz Eugen von Savoyen führte die kaiserlichen Truppen an.
1703 wechselte Savoyen Seite und schloss sich der Großen Allianz gegen Frankreich an. Auch Portugal verbündete sich in diesem Jahr mit der Allianz. Kaiser Leopold und sein Erstgeborener, Erzherzog Joseph, verkündeten eine Verzichterklärung auf ihr Erbe in Spanien, zugunsten von Erzherzog Karl, dem zweiten Sohn Leopolds. Dieser wurde nun als König Karl III von Spanien ausgerufen. Er fuhr 1704 mit einer englischen Flotte nach Portugal und belagerte im Jahr darauf Barcelona, das sich im Oktober ergeben musste. Damit fiel die ganze Provinz Katalonien in die Hände der Habsburger, weil die Katalanen die französische Herrschaft nicht anerkennen wollten. Die Engländer ihrerseits konnten sich am 21. Juli 1704 der Festung Gibraltar bemächtigen. Das erklärt, warum Gibraltar heute noch unter der Oberhoheit Großbritanniens steht.

1705 starb Kaiser Leopold und sein Sohn, Joseph I, folgte ihm als Kaiser. Dieser hatte vor, Kurbayern unter die österreichischen Erblande zu bringen. Ein Aufstand der Bayern wurde blutig niedergeschlagen, wie überhaupt die ganze Besatzung ziemlich brutal durchgesetzt wurde. Man fragt sich, was die kleinen Leute dafür konnten, dass ihr Kurfürst so charakterlos war?
Zu allem Überdruss waren auch die Ungarn aufständig, sodass Joseph I auch innenpolitisch Militär einsetzen musste.

Das nächste Jahr, 1706, sah überwiegend Siege der Allianz, deren wichtigster vielleicht die Schlacht von Turin war, als Prinz Eugen von Savoyen ein französisches Heer vernichtend schlug. In Spanien drangen die verbündeten Truppen bis Madrid vor, wo man Karl III als König ausrief. Jedoch schon im nächsten Jahr ging Madrid wieder verloren. Graf Daun eroberte das Königreich Neapel für den Kaiser. In der Generalkapitulation vom 13. März 1707 musste Ludwig XIV auf alle Besitzungen in Italien verzichten. Er bot den Seemächten an, auf Spanien zu verzichten und wollte nur die italienischen Besitzungen für seinen Enkel garantiert bekommen. Doch weder diese, noch Joseph I waren dazu bereit, da man erstens das gesamte Erbe anstrebte und zweitens die Vormachtstellung der Grande Nation endgültig brechen wollte.
In den Spanischen Niederlanden und entlang des Rheins wogten die Gefechte hin und her, ohne dass große Entscheidungen gefallen wären. Der Paukenschlag von 1908 kam, als Papst Clemens XI überraschenderweise erklärte, nicht den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches zu unterstützen, sondern die Gegenseite. Als österreichische Truppen den Kirchenstaat besetzten, änderte er doch rasch seine Meinung. Ludwig XIV war nun bereit, auf das spanische Erbe völlig zu verzichten; ja er war sogar dazu bereit den Elsass und die Bistümer in Lothringen für einen Frieden zu opfern. Doch die Allianz wollte ihn demütigen und verlangte, dass französische Truppen helfen sollten, seinen Enkel aus Spanien zu vertreiben. Da brach der französische König - verständlicherweise - die Verhandlungen ab.

1710 wurden in England die Whigs von den Torys abgelöst. Letztere wollten einen schnellen Frieden. Im Jahr darauf starb Joseph I an der Pest und sein Bruder Karl wurde auf einmal Kaiser im römisch-deutschen Reich, als Karl VI. Beide Ereignisse waren für den weiteren Kriegsverlauf äußerst wichtig. In England fürchtete man jetzt erneut, dass die Konstellation von Österreich und Spanien unter einem einzigen Monarchen, Karl VI, zu mächtig sein würde. Deshalb begann man Geheimverhandlungen mit Ludwig XIV. Kaiser Karl versuchte, den Verhandlungen entgegen zu wirken, aber es half nichts. Im Jänner 1712 begannen offizielle Gespräche, die im Sommer 1713 zum Frieden von Utrecht führen sollten. Durch den Waffenstillstand zwischen Frankreich und den Verbündeten war die österreichische Armee nicht mehr in der Lage, weitere Erfolge zu erzielen, sondern musste sogar einige Niederlagen in Kauf nehmen. Im November 1713 begannen dann auch Verhandlungen zwischen Österreich und Frankreich, die im März 1714 zum Frieden von Rastatt führten, der dann im Frieden von Baden auch von deutschen Ländern bestätigt wurde. Im Grunde genommen gingen alle drei Friedensschlüsse auf dasselbe hinaus: Spanien blieb unter Philipp V den Bourbonen erhalten, aber Karl VI durfte weiterhin den Titel des Königs von Spanien tragen. Alle Besitzungen außerhalb Spaniens, also die Spanischen Niederlande, Neapel (außer Sizilien), Sardinien, die Lombardei und Mantua fielen an Österreich.

Es war bisher üblich gewesen, dass Friedensschlüsse in Latein abgefasst wurden - der Frieden von Rastatt wurde erstmals in Französisch geschrieben. Das bezeinet den Aufstieg dieser Sprache zur Diplomatensprache.

Man hatte also das Erbe von Karl II geteilt. Hätte man das gleich von Anfang an getan, wären der europäischen Bevölkerung mehr als zehn Kriegsjahre erspart geblieben. Besonders auffällig ist die Rolle Englands, das am Krieg teilnahm, ohne irgendwelche Vorteile daraus zu ziehen, sieht man von Gibraltar ab. Die Vereinigten Niederlande hatten allerdings mit den Österreichischen Niederlanden eine Buffertzone zu den Bourbonen geschaffen.
Ich frage mich auch, wie die Gattin von Ludwig XIV mit diesem Krieg leben konnte, ohne verrückt zu werden. Sie hatte ja als Habsburgerin doppelte Loyalitäten - aber vielleicht waren die Kriege für die Königshäuser nicht mehr als die Computerspiele von heute, wo es zwar peinlich ist, aber keine große Rolle spielt, wenn man ein paar hunderttausend Einheiten verliert ...

Copyright Bernhard Kauntz, Wolvertem 2010


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