DAS HAUS
DER GESCHICHTE

1989 - 2014:
Deutsche Einheit und globale Herausforderungen


Die Mauer war gefallen. Jetzt also nichts wie rein ins Vergnügen? Durchaus nicht, es wurde viel schwieriger als erwartet. Für die meisten war die Wiedervereinigung eine Selbstverständlichkeit, aber wie das geschehen sollte, wusste niemand. Zu überraschend war die Wende gekommen. Dennoch dauerte es nur 329 Tage zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung. Es gab nicht nur praktische Schwierigkeiten, sondern auch politische, sowie Uneinigkeiten in der Bevölkerung.
Nicht alle in der DDR waren nämlich für die Wiedervereinigung. Immerhin sammelte eine Bürgerinitiative - mit Volker Braun und Christa Wolff an der Spitze - innerhalb von zwei Monaten über eine Million Unterschriften für eine selbständige und demokratische, aber sozialistische Alternative für die DDR. Doch bei der Volkskammerwahl im März 1990 hatte die Bürgerinitiative, die ja eigentlich die Aufruhr gegen das System getragen hatte, keine Chance. Politisch gesehen drängten viele darauf, die Wiedervereinigung schnell voranzutreiben.
Das kam daher, weil teils niemand wusste, was nach Gorbatschow geschehen würde, teils aber auch weil man sich nicht sicher war, ob Mitterand in Frankreich oder Thatcher in England so erpicht darauf waren, ein größeres und stärkeres Deutschland zu sehen. Aber gegen den Freudentaumel der Bevölkerung war nicht viel zu tun. Zum Jahreswechsel kletterten Jugendliche auf das Brandenburger Tor und holten die Fahne und das Emblem der DDR herunter. Schon am 1. Juli 1990 wurde eine Wirtschafts- und Währungsunion durchgeführt, fast drei Monate bevor die "Siegermächte" von einst die Zustimmung zu der Wiedervereinigung gaben.
Die Mauer selbst, sowie "Erinnerungsstücke" an Ostdeutschland, wurden schnell vermarktet. Siehe das Banner für das (N)Ostalgiewarenhaus im Bild links. Ein Abschnitt der Mauer erzielte im Durchschnitt 50000 D-Mark. Privat herausgehackte Stücke, um an Touristen zu verkaufen, waren etwas billiger.
Als Staat stand der Osten weniger gut da. Die dort erzeugten Waren hielten nicht in der westlichen Konkurrenz. Vor allen Dingen nicht nach dem Währungsausgleich von eins zu eins, also dass eine Ostmark einer D-Mark gleichgesetzt wurde. Das führte zu Massenentlassungen in der Industrie. Die Produktivität der Betriebe entsprach etwa dreißig Prozent von der Leistung im Westen. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß. Schon im März 1991 demonstrierten 60000 Menschen - wieder in Leipzig - gegen die Arbeitslosigkeit.
Der Alltag war jedoch nicht nur dadurch stark im Wandel begriffen, sodass sich viele Menschen ausgegliedert fühlten, weil ihnen die vertraute Sicherheit fehlte. Viele sahen sich als "Bürger zweiter Klasse". Schadensbegrenzung in der Umwelt und Städtesanierung waren Ausgabenposten, die viel Kapital erforderten. 24 Milliarden Soforthilfe och nahezu 40 Milliarden für die Anbindung und verkehrmäßige Erschließung wurden für den Osten reserviert. So baute man außer einem modernen Eisenbahnnetz auch die A2 von Hannover nach Berlin, die im Jahr 2001 fertiggestellt wurde.
Der Aufschwung ließ auf sich warten. Und als er kam, kam er zunächst für die "neue" Wirtschaft, die nach westlichem Muster Gewinne erzielte. Diese kamen aber der Bevölkerung nicht zugute, weil die staatlichen Betriebe der DDR - sofern nicht aufgelöst - privatisiert worden waren. Damit fiel aber meistens auch das soziale Umfeld weg, wie Kinderbetreuung und Ferienreisen, das die Staatsbetriebe gewährleistet hatten.
Man hatte berechnet, dass der Verkauf der staatlichen Betriebe einen Gewinn von 600 Milliarden bringen würde.
Als die Arbeit im Jahr 1994 abgeschlossen war, ergab sich statt dessen ein Defizit von 250 Milliarden. Es ist aber beachtlich, dass Deutschland Beträge in dieser Höhe überhaupt bewältigen konnte.
Eine Voraussetzung für die Zustimmung der Alliierten war gewesen, dass das vereinte Deutschland seine Streitkräfte verringern musste, weil man vor einem zu starken Deutschland noch immer Angst hatte.
Etwa die Hälfte der Soldaten der Volksarmee wurde in die Streitkräfte der BRD aufgenommen.
Weiters wurde beschlossen, dass die sowjetischen Soldaten bis 1994 das Land verlassen mussten. Deutschland bezahlte die Heimreise für Menschen und Material, sowie den Bau von Soldatenwohnungen auf russischem Gebiet. Die Westmächte dagegen beliebten nur aus Berlin auszuziehen und die Anzahl der Okkupationssoldaten ein wenig zu verringern. Die Mittelstreckenraketen und die Atomsprengköpfe blieben auch im Land ...
1991 wurde Berlin wieder die Hauptstadt Deutschlands und nach einiger Debatte wurde auch beschlossen, dass die Volksvetretungen von Bonn nach Berlin umsiedeln sollten. Der Reichstag wurde umgebaut und neuer Sitz des Parlamentes.
International gesehen war der Kalte Krieg zu Ende und die Vereinigten Staaten mussten sich ein neues Feindbild suchen. Das fand man zunächst am Balkan, wo man die Terrororganisation UTC unterstützte, um Milosevic zu schwächen. Um sicher zu sein, dass es US-Amerikanern frei stand, zu tun was sie wollten, forderte man Garantien von der Welt (na ja, von der Westwelt), dass Mitbürger der USA sich nicht vor dem internationalen Gerichtshof verantworten mussten.
Dann konnte man auch beruhigt "Desert Storm" beginnen, den Krieg gegen Irak, weil dieser Kuwait besetzt hatte. Man hatte vergessen, dass man Saddam Hussein ein paar Jahre vorher noch unterstützt und mit Waffen versehen hatte, damit er den Krieg gegen den Iran (ebenfalls Feind der USA) gewinnen sollte.
Die Welt musste lernen, dass es ganz - oder wenigstens fast - demokratisch möglich ist, auch geistig Minderbemittelte zum Präsidentenamt zu wählen. Fast demokratisch, weil man ja immerhin einen Bruder als Gouverneur benötigte, der über die Stimmenauszählung im entscheidenden Staat beschließen konnte und so dem Bruderherz den Präsidentenposten sichern konnte.
Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York wurde die Welt belehrt, dass auch Präventivkriege nötig sein können - also Kriege, um den Feind zu schwächen, sodass er nicht angreifen kann. Das war an und für sich nichts Neues, denn das praktizierte Israel schon jahrzehntelang gegen die Palästinier ...
Auch neue "Verhörsmethoden" an den Häftlingen in Guantanamo, wie zum Beispiel Waterboarding, wurden bekannt. Der grausige Witz an der ganzen Sache ist der, dass die einzige Nation, die jemals Atombomben auf Menschen geworfen hat, nunmehr den Anspruch machte, die ganze Welt zu dominieren. Allein in den Neunzigerjahren führten die USA (allein oder zusammen mit der NATO) VIERUNDSIEBZIG große oder kleine internationale Interventionen durch! Sieben Mal pro Jahr griff man also in die innere Entwicklung anderer Staaten ein! Im Rahmen der NATO waren später auch deutsche Soldaten wieder im Ausland tätig, zum Beispiel in Afghanistan. Aber bei Gott, man führte doch keinen Krieg, man unterstützte doch nur die lokale Regierung gegen Terroristen. Wobei die Definition "Terrorist" ja immer sehr einseitig ist. Die Auslandseinsätze waren in der Bevölkerung sehr umstritten. Dass sie natürlich auch deutsche Todesopfer forderten, machte die Sache nicht besser.
Mittlerweile war in Deutschland die Ära Kohl zu Ende gegangen. Nach 16 Jahren Amtszeit musste der CDU-Kanzler einer rot-grünen Koalition weichen. Gerhard Schröder übernahm jedoch keine rosigen Zukunftsaussichten. Immer weniger Erwerbsarbeitende mussten immer mehr Arbeitslose und Rentner erhalten. Hartz IV wurde ein Begriff. Im Jahr 2005 folgte bei vorgezogenen Wahlen eine große Koalition unter Angela Merkel als Kanzlerin. Aber auch sie hatte mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen.
Dazu kam noch Griechenlands Verrat an der EU, als man - natürlich mit Hilfe der USA - Staatsbilanzen fälschte, bis der wirtschaftliche Zusammenbruch nicht mehr zu umgehen war. In Griechenland wurde Deutschland zum Staatsfeind Nummer eins, weil man griechische Sparmaßnahmen forderte. Ein großes Problem dieser Zeit waren die rechtsradikalen Terrortaten, die mehr oder weniger laufend stattfanden. Asylantenhäuser brannten, Ausländer wurden auf offener Straße überfallen - alles im Zug einer rechten Welle in Europa. Wurde das alles durch die islamfeindlichen Einsätze der "führenden Nation" der Welt hervorgerufen? Aber auch in gemäßigteren Schichten distanzierte man sich mehr und mehr von islamischer Kultur. Man demonstrierte gegen Moscheen und der Kopftuchstreit entbrannte. Wobei man hier nicht vergessen darf, dass sich jeder Immigrant in der Öffentlichkeit den gegebenen kulturellen Voraussetzungen anpassen sollte.
Seit Mitte der Neunzigerjahre führte das Internet eine globale Revolution mit sich. Aber auch andere Kommunikationsarten, wie das portable Allzweckgerät, das Handy, explodierten förmlich. Diese Neuerungen machten die Welt kleiner. Gut oder schlecht?
Die Billigflieger und die damit generell gesenkten Flugpreise waren ein Vorteil für den Konsumenten. Ein Wochenende in Barcelona oder Rom war jetzt auch für den Normalverbraucher möglich geworden. Die Überwachung der ganzen Welt durch die NSA gehört dagegen wohl zu den Minuspunkten ...
Ein anderes, globales Problem ist der Klimawandel. 2005 unterzeinete man endlich ein Dokument im japanischen Kyoto, das Einschränkungen in der Luftverunreinigung vorschreibt. Aber die USA weigerten sich, das Übereinkommen zu unterschreiben.
Ein wachsendes Europa, mit immer mehr Mitgliedstaaten, ist bei der Wirtschaft und in der Politik besser verankert als bei der Bevölkerung. Das Aufgeben der nationalen Währungen und die Einführung des Euro im Jahr 2002 fiel vielen Menschen schwer. Das Interesse an einem gemeinsamen Europa war auch nicht sehr groß. Sprachliche und kulturelle Barrieren machen es immer noch schwierig, sich für die Probleme der Nachbarländer zu erwärmen. Außerdem hatte man den Eindruck, dass wohl ein Europa für die Wirtschaft entstand, die Menschen dagegen kaum Vorteile davon hatten.
Die Krümmung der Gurken ist für die meisten weniger wesentlich als die Entbürokratisierung von zwischenstaatlichen Hindernissen für die Mitbürger. Nur müssen das die Bürokraten auch einsehen ...

Wenn man die Ereignisse der letzten siebzig Jahre - ein kurzes Menschenalter - vor sich sieht, dann kann man nicht bleiben lassen, sich zu fragen, wie es in weiteren siebzig Jahren aussehen wird. Lassen Sie uns alle hoffen, dass die Welt dann ein wenig besser ist als heute, auch wenn nicht viel dafür spricht.

Copyright Bernhard Kauntz, Västerås 2014


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11.12.2014 by webmaster@werbeka.com