SCHLOSS CHENONCEAU


Chenonceau wird auch das Schloss der Damen genannt, nachdem überraschend viele Frauen Einfluss auf die Entwicklung des Gebäudes gehabt haben. Deshalb ist es irgendwie passend, dass 2 Sphingen den Eingang zu den Schlossparks bewachen. Man muss zwischen ihnen durch, nachdem man die lange Allee entlang gewandert ist.
Aber beginnen wir am Anfang: die Herren von Marques besaßen hier ein Schloss, das jedoch im Hundertjährigen Krieg von den Engländern besetzt wurde.

Auf dem Weg zum Schloss befindet sich linker Hand der Garten der Katharina von Medici
Nach dem Vertrag von Brétigny, der eine neunjährige Pause in der Kriegführung einleitete, vertrieb Du Gueselin die Engländer. Sie kamen aber wieder - und Chenonceau wurde auf die eine oder andere Art zerstört (die Geschichtsschreiber sind sich darüber nicht einig). Jean II Marques erhielt aber 1432 von König Karl VII die Erlaubnis, das Schloss wieder aufzubauen. Dieser baute es am Nordrand des Flusses und verband es mit einer Brücke, die zu einer befestigen Mühle im Flusslauf des Chers - einem Nebenfluss der Loire - führte. Sein Sohn Pierre verschwendete dann aber das Familienvermögen und musste den Besitz schließlich 1496 an Thomas Bohier verkaufen.
Nach diversen Erbschaftsstreitigkeiten wurde er 1512 endgültiger Besitzer. Thomas war Sekretär am Hof der Könige und wurde von Karl VIII in den Adelsstand erhoben. Schließlich wurde er zum Generalstatthalter in Italien gemacht und verbrachte dann logischerweise viel Zeit dort. Es oblag seiner Gattin, Katherine Briçonnet, sich um den Umbau des Schlosses zu kümmern. Sie war daher die erste Dame, die großen Einfluss auf die Gestaltung des Schlosses hatte. Die Bohiers behielten die beiden Türme am Festland, aber passten sie an den Geschmack der Renaissance an. Das Schloss aber bauten sie an der Stelle der alten Mühle im Flusslauf.
1524 starb Thomas in Italien. König Franz I ließ nun nachträglich eine Revision machen und fand, dass Thomas Geld hinterzogen hatte. Antoine, der älteste Sohn, konnte nicht so viel zurückzahlen, wie gefordert wurde und musste das Schloss an die Krone verkaufen. Franz I benutzte es dann als Jagdschloss.

Die nächste Frau, die großen Einfluss hatte, war Diane de Poitiers.


Der Turm ist der älteste Teil des Schlosses.
Diese Mätresse von Heinrich II war zwar zwanzig Jahre älter als er, hatte ihn aber fest in der Hand. Sie bekam von ihm normalerweise worauf sie zeigte und einmal zeigte sie auf Schloss Chenonceau. Durch diverse finanzielle Transaktionen ging es auch gratis in den Besitz Dianes ein. Sie ließ großzügige Gärten anlegen und gab Philibert Delorme, einem der Architekten des Königs, auch den Auftrag, eine - mit einer Galerie gedeckten - Brücke vom Schloss aus über den Cher zu bauen. 1556 wurde das Bauwerk begonnen. Bezahlt wurde das Ganze natürlich vom Staat. Beim Tod Heinrichs war zwar die Brücke fertig, aber von der Galerie fehlte noch jede Spur. Und nach dem Tod des Königs nahm Dianes Einfluss am Hof stark ab.
Der Garten der Diane de Poitiers ist durch kräftige Mauern vor Hochwasser geschützt.
Jetzt endlich konnte sich Heinrichs Gemahlin, Katharina de Medici für die jahrzehntelang erlittene Schmach revanchieren. Sie zwang ihre einstige Rivalin, Chenonceau gegen Chaumont einzutauschen. Die Geschichtsbücher sagen zwar, dass die Erträge von Chaumont besser waren, als die von Chenonceau und dass Diane daher kein schlechtes Geschäft gemacht hatte - aber psychologisch gesehen war es ein Triumph für Katharina. Diane hatte Chenonceau ja von ihrem Geliebten geschenkt bekommen ...
Kein Wunder, dass sich Katharina dann öfter hier aufhielt, nicht zuletzt, um rauschende Feste zu geben. Ob sie Diane auch eingeladen hat?


Die Galerie über der Brücke wurde erst unter Katharina de Medici erbaut.
Über dem Eingang zur Kapelle befindet sich eine Madonnenstatue. In der Kapelle selbst gibt es Inschriften, die von der schottischen Garde Maria Stuarts hinterlassen wurden, datiert aus den Jahren 1543 und 1546. Während der französischen Revolution rettete Madame Dupin die Kapelle, indem sie ein Holzlager daraus machte. Die Kirchenfenster dagegen sind aus moderner Zeit, weil die alten im Jahr 1944 bei einem Bombenangriff zerstört wurden ... Wie passend ist daher eine der Inschriften: "Der Zorn des Menschen erfüllt nicht die Gerechtigkeit Gottes."

Das Bett der Luise von Lothringen.
Die nächste Dame, die das Schloss prägte, war Luise von Lothringen, Gattin von Heinrich III. Sie befand sich auf Chenonceau, als sie von der Ermordung ihres Mannes hörte. Ab nun kleidete sie sich nur mehr in weiß und lebte in ihren dunklen, mit Totensymbolen bemalten Gemächern. Sie überließ das Schloss ihrer Nichte Francoise von Lothringen als Hochzeitsgeschenk. Francoise heiratete Herzog César de Vendôme, einen offiziellen, aber unehelichen Sohn Heinrich IV.
Die Täfelung in ihrem Schlafzimmer.
César hatte jedoch kein großes Interesse an Chenonceau, sondern lebte lieber auf Schloss Anet. Die Verwaltung von Chenonceau überließ er seiner Mutter und seiner Gattin.

Die Jungfrau in blauem Umhang. Giovanni-Battista Sassoferrato, 17. Jhd.
Nach wechselnden Eigentümern verfiel das Schloss im 17. Jhd. Bücher und Kunstgegenstände wurden verkauft, verschleppt und verschenkt und es dauerte bis 1733, als Claude Dupin das Schloss erwarb, bis es wieder aufwärts ging. Wieder war es die Frau Dupins, Louise, die dem Schloss Ansehen verlieh. Sie organisierte dort philosophische und literarische Veranstaltungen, mit Berühmtheiten wie Voltaire und Montesquieu. Für ihren Sohn warb sie Jean Jacques Rousseau als Erzieher an. Zum Teil ist es ihr zu verdanken, dass das Schloss die Revolution schadenfrei überstand. Ihre Beliebtheit bei der Bevölkerung, sowie die Tatsache, dass sie das "x" am Ende des Schlossnamens wegließ (das "x" am Ende zeigte königlichen Besitz an), kühlten die erhitzten Gemüter ein wenig ab.
Danach war es Marguerite Pelouze, die das Schloss renovieren ließ. Ihr verdanken wir einen Großteil der vielen Malereien, die heute dort zu sehen sind. Schließlich hatte sie aber ihr ganzes Vermögen verwendet und verlor den Besitz an eine Bank. Henri Menier ersteigerte das Schloss 1913 und seine Familie besitzt es noch heute.
Die Galerie über den Fluss Cher
Die Steine im Fussboden sind von unterschiedlicher Härte. Die weißen sind stärker abgenützt.
Der Südausgang der Galerie
Die Galerie spielte im Zweiten Weltkrieg eine besondere Rolle. Die Grenze zwischen dem besetzten Teil Frankreichs und dem freien Gebiet, lief entlang des Flusses Cher. Damit lag der Haupteingang des Schlosses unter deutscher Kontrolle, der Südausgang jedoch war im freien Frankreich. Klar, dass viele diese Möglichkeit zur Flucht benutzten und in der anderen Richtung für "Guerillatätigkeit".

Wie schon erwähnt, gibt es viele hervorragende Gemälde im Schloss, die allein schon einen Besuch motivieren könnten.

Die drei Grazien von Carl Van Loo
Diana von Ambroise Dubois
Ludwig XIV von Hyacinthe Rigaud

Die drei Grazien sind drei der vier Schwestern de Nesles, die alle nacheinander mit Ludwig XIV ein Verhältnis hatten. Für Diana stand Gabrielle dŽEstrées Modell. Sie war die Geliebte von Heinrich IV und die Mutter von César de Vendôme. Der Sonnenkönig schließlich hat es nicht nötig, jemand anders sein zu wollen ...

Was im Schloss weiterhin auffällt, das sind die vielen Blumenarrangements, die vermutlich mit viel Liebe ausgewählt worden sind und die sorgfältig verteilt wurden, um das Umfeld ein wenig freundlicher zu gestalten.

Was die Möbel betrifft, so können sie wohl nur zeigen, wie es zu dieser oder jener Zeit ausgesehen haben mag, wie hier das Zimmer von César de Vendôme (links) und das der Katharina de Medici (rechts). Aber erfreulich ist, dass die Herstellung der meisten Möbel wirklich in die Lebenszeit der Bewohner fällt. Es gibt also recht viele Originale und wenig Nachbildungen. Auch Decken und manchmal Fußböden sind oft noch in der Originalfassung erhalten geblieben. All dies trägt natürlich stark zum Gesamteindruck bei.

Gehen Sie am Heimweg aber nicht an den früheren Verwaltungsgebäuden vorbei ...
Auch wenn Sie keinen Kaffee wollen und auch kein Souvenir kaufen wollen, gibt es hier eine ausgesprochen nette Ergänzung zur Schlossbesichtigung, nämlich ein Wachsfigurenkabinett. Das ist eine ganz wunderbare Idee, denn die Malereien und Büsten der Berühmtheiten der Geschichte in allen Ehren - aber wenn man sie hier nahezu lebendig sieht, entsteht doch ein ganz anderer Eindruck. Schon allein die zeittypische Kleidung macht viel aus. Es kann vielleicht schwer gewesen sein, die Gesichtszüge wahrheitsgetreu wiederzugeben, aber ich erkenne Franz I ganz ohne Zweifel.

Er sieht tatsächlich aus, wie auf den Gemälden, die ich von ihm gesehen habe. Hier wird er von der Witwe des Thomas Bohier, Katherine, empfangen.
In der nächsten Szene wird es intimer. Hier sehen wir Heinrich II, bei einem Liebesbesuch bei seiner Mätresse, Diane de Poitiers.

Jetzt ist Katharina de Medici an der Reihe. Wir sehen, wie sie Bernard Palissy instruiert, ihre Gärten anzulegen. Dann kommt die Reihe an "die weiße Königin", Luise von Lothringen, die wir bei der Trauer um ihren Gatten sehen. Schließlich ist Le Primatice, dem wir bei der Arbeit zusehen. Von diesem Maler der Fontainebleau-Schule gibt es einige Bilder im Schloss.

Abschließend eine Szene aus dem "Alltagsleben" der Madame Dupin, die sie mit philosophischen Diskussionen verbringt, sowie eine Vorlesung von Gustave Flaubert bei Madame Pelouze.

Es ist erstaunlich und gleichzeitig schade, dass so wenige Besucher den Weg ins Wachskabinett finden. Auf jeden Fall ist es ein großartiges Komplement zur Schlossbesichtigung.


© Bernhard Kauntz, Västerås 2008



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last update: 5.6.2008 by webmaster@werbeka.com